Träumen Sie vom eigenen Studio?

Ja, ich hatte auch mal ein Studio, sogar etliche Jahre lang und kein ganz winziges. Lesen Sie hier meine Erfahrungen damit und wie ich heute dazu stehe. 

Lang ist’s her! Es war in den späteren 80er-Jahren gegen Ende meiner Studienzeit. Es war damals absehbar, dass sich eine Anstellung als Psychologe nicht so ganz schnell finden würde, und da ich schon eine ganze Weile nebenher mit Fotografie etwas Geld verdient hatte war es naheliegend ein bisschen mehr draus zu machen. Ich konnte meinen Vater von der Idee überzeugen und er finanzierte die Ausstattung eines kleineren Studios (45 qm) mit angeschlossener Dunkelkammer.

Das waren verschiedene Hintergrundrollen, 3 Multiblitz-Lampen mit Stativen und etwas Zubehör. Damit ließ sich ganz gut arbeiten.

Akz
Aufgenommen auf einem meiner Akt-Workshops, die ich damals regelmäßig veranstaltet habe

Damals hatten nur wenige Fotoamateure ein eigenes Studio. Es war verlockend zu einem attraktiven Preis gleich ein ganzes Paket buchen zu können: ein professionelles Modell, die Studio-Lichttechnik, Arbeit in einer kleinen Gruppe und Unterstützung bei fotogafischen Fragen. Das war durchaus gefragt. Heute gibt es so was ja auch noch, aber mit deutlich mehr Aufwand und Brimborium drum rum. Es sind halt gute 30 Jahre vergangen.

Was sind die wesentlichen Vorteile eines Studios?

  1. Ungestörtes Arbeiten ist garantiert. Nicht nur für Akt kann das sehr angenehm sein. Man macht die Türe hinter sich zu und kann in aller Ruhe alles so arrangieren, wie man es haben möchte.
  2. Licht ganz nach Wunsch. Ein Hauptlicht, ein Aufhellicht und ein Spot sind völlig ausreichend. Oft genügen sogar zwei Lichtquellen wie auf dem Bild oben.
  3. Es gibt keinen störenden Hintergrund.

Das klingt ja überzeugend und unmittelbar nach „Haben-Will“. Bekanntlich hat aber alles zwei Seiten.

Welches sind die Schattenseiten?

  1. Die meisten Studios sind entweder komplett leer oder es gibt ein paar wenige fertige Arrangements. Es liegt auf der Hand, dass man sich daran sehr schnell „satt fotografiert“ hat. Das ist dann nicht mehr verlockend.
  2. Das ganz leere Studio scheint auf den ersten Blick besonders viele Möglichkeiten zu bieten, weil man ja nach Belieben einige Utensilien mitbringen kann. Der Nachteil ist aber, dass man fast immer sofort sieht: Aha, das wurde mal schnell aufgebaut – Fotografie im Studio eben.
  3. Ein Fotomodell ist im Studio reduziert auf seine Posen. Es gibt kein reales Umfeld zu dem es sich in Bezug setzen kann.
  4. Es dauert nicht lang, bis Modell und Fotograf die Erfahrung machen: Jetzt haben wir bald alles durch. Wiederholungen sind aber öde.

Es dauert ein bisschen, bis diese Schattenseiten immer mehr in den Vordergund treten. Wer zum ersten Mal im Studio fotografiert ist meistens begeistert von den tollen Möglichkeiten und der so vielseitigen Ausleuchtung. Klar, das ist alles neu! Mir ist es aber schon bald so ergangen, dass ich die auf den Bildern sichtbare Künstlichkeit als zunehmend störend empfunden habe.

Die Frage nach dem Licht

Noch vor 10 bis 15 Jahren war es überhaupt keine Frage, dass ein vernünftiges Studio auch eine Studio-Blitzanlage braucht, mit geregeltem Einstelllicht selbstverständlich. Die Technik hat sich aber schnell weiter entwickelt, und vieles, das einem selbstverständlich erscheint, ist längst überholt.

Ein Beispiel: Für Digitalfotografie macht die SLR-Technik mit Spiegel konstruktiv keinen Sinn mehr. Am Anfang waren die digitalen Sucher aber noch sehr bescheiden. Das gilt aber schon seit etlichen Jahren nicht mehr. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat der hochklappende Spiegel seine Berechtigung verloren. Trotzdem hat es noch Jahre gedauert bis sich speigellose Systemkameras durchzusetzen begannen.

Was heißt das für das Thema Licht im Studio? Zur Zeit der Fotografie mit Film war die Frage der Licht-Temperatur von großer Bedeutung, weil man damals ja nicht „mal eben kurz“ im Nachhinein den Weißabgleich machen konnte. Der normale Farbfilm war auf Tageslicht abgestimmt, und daneben gab es noch Kunstlicht-Film für 3200 oder 3400 K (Kelvin). Für alles andere Licht musste man umständlich mit Korrekturfiltern schon bei der Aufnahme arbeiten. Außerdem war ausreichend starkes Dauerlicht eine Hitzequelle, die schon nach kurzer sehr lästig werden konnte.

Mit Digitalfotografie ist das längst Schnee von gestern, und moderne Kameras liefern bereits in der Automatik-Einstellung durchweg absolut beeindruckend guten Weißabgleich. Wenn man in RAW fotografiert kann man außerdem verlustfrei den Weißabgleich nach Wunsch nachträglich vornehmen. Ein ursprünglich ganz wesentliches Argument für Studioblitz entfällt damit also!

Das zweite Argument sind kurze Belichtungszeiten, um schnelle Bewegungen ohne Verwischung festhalten zu können. Auch das ist meiner Ansicht nach kein Thema mehr. Mit LED ist problemlos so helles Licht zu realisieren, dass keine langen Belichtungszeiten mehr nötig sind. Lichtformer wie Spot, Lichwanne usw. sind genau so einsetzbar wie bei einer Blitzanlage. Wenn ich also heute nochmals ein Studio zu planen hätte, würde ich mindestens bis zu einer Raumgröße von ca. 60 qm lieber mit Dauerlicht arbeiten als mit Blitz. Wesentlich kostengünstiger ist das allemal. Ich meine, es ist nur ein längst überholtes Vorurteil, dass zu einem „richtigen Studio“ unverzichtbar eine Blitzanlage gehört.

Auch wenn ich selber nicht mehr im Studio arbeite: Ich fotografiere so oft völlig problemlos bei wenig Licht, dass ich sicher sagen kann, dass ein kleineres Studio ganz gewiss keine üppige Lichtanlage braucht. Ja klar, es wird noch immer allerlei in dieser Art angeboten und natürlich so verkauft, dass man glauben soll, ohne das wäre nichts Vernünftiges möglich. Vergessen Sie’s: Mit einer modernen Kamera ist eine Ausleuchtung von der Stärke normalen Tageslichts in einer Wohnung völlig ausreichend. Und blitzen muss die eingesetzte Lichtquelle nun wirklich nicht!

Was ist jetzt wirklich nötig?

Na klar, wenn Sie studiomäßig Personen fotografieren wollen, brauchen Sie natürlich ausreichend Platz. Ca. 3 Meter Abstand vom Fotograf zum Modell sollten machbar sein, und damit der Hintergrund in Unschärfe verschwinden kann sollte da auch noch mal wenigstens 1 Meter sein. Das ist auch deshalb wichtig, damit Sie eine Gegenlicht-Quelle platzieren können. Mit geringen Einschränkungen lässt sich durchaus mit ganz normaler Raumhöhe arbeiten, denn der Mensch vor der Kamera muss nicht unbedingt von Zehenspitze bis zum Schopf stehend abgebildet werden, meine ich.

Wenn Sie einen Raum von 15 bis 20 qm Größe haben, den Sie ohne riesigen Aufwand mal kurz räumen können (den Hobbyraum z.B.), lässt sich damit schon ganz gut arbeiten.

Die Hohlkehle

Mit einer Hintergrundrolle ausreichender Höhe, Länge und Breite kann man den Hintergrund nahezu unsichtbar werden lassen, weil die oft störend empfundene Kante Fußboden / Wand ohne Übergang verschwindet. Früher war mir das auch sehr wichtig, aber heute finde ich das überbewertet.

Eine standardmäßige Hintergrundrolle ist 11 m lang und ca. 2,70 m breit. Warum so lang? Damit man mehrfach auch mal ein Stück abschneiden kann, weil das Papier natürlich beim drauf Rumtrampeln verschleißt. Und 2,70 m in der Breite sind ganz praktisch, damit nicht gleich der normale Hintergrund im Bild erscheint am Rand. Ich hatte damals eine ganze Reihe verschieden farbiger Hintergrundrollen (rot, blau, beige…). Tatsächlich verwendet hab ich aber meist nur schwarz und grau und seltener noch weiß. Farbigen Hintergrund kann man leicht und bei Bedarf auch partiell durch farbiges Licht erzeugen. Viele LED-Lampen lassen sich heute einfach per Knopfdruck umschalten. Wozu also noch farbige Hintergrundrollen kaufen?

Eine Hintergrundrolle ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt nötig, weil sich mit einem großen Leintuch o.ä. genau so gut arbeiten lässt, wenn es nur drum geht störenden Hintergrund abzudecken. Andererseits sind Hintergrundrollen kein großer Kostenfaktor (deutlich unter 100 Euro).

Einfache Lösungen

Wie schon gesagt ist eine professionelle Studio-Blitzanlage für ein Heimstudio meiner Ansicht nach völlig unnötig. Ein paar etwas kräftigere LED-Lampen sind absolut ausreichend. Damit man sie flexibel platzieren kann sind Stehlampen die simpelste Lösung. Um ein möglichst weiches Licht zu erhalten, wie man es für Porträts oft haben möchte, eignet sich eine Projektionswand (die gute alte Dia-Leinwand – wandert heute oft auf den Müll) sehr gut: Die Leinwand aufstellen und von rechts und links aus einigem Abstand direkt anstrahlen. Fertig. Ersatzweise leistet eine größere Styroporplatte den gleichen Dienst.

Was folgt daraus?

Wenn Sie von einem eigenen Studio träumen, sollte das nicht unbedingt gleich eine Großinvestition werden, weil es gut möglich ist, dass Sie es bald viel seltener nutzen werden als Sie jetzt glauben. Außer wenn Sie es als Renommier-Objekt brauchen („schaut mal alle her, was für ein professioneller Fotograf ich bin!“), macht es mehr Sinn sich schrittweise heran zu tasten und sehr einfach zu beginnen. Ja, Sie brauchen natürlich etwas Platz. Das kann aber zum Beispiel auch einfach eine Garage sein: Eine Hintergrundrolle verdeckt den ganzen Krimskram, der an den Wänden meist rumsteht, paar Stehlampen und evtl. eine große Reflexionsfläche (siehe oben) sorgen für sehr brauchbares Licht, und schon kann es losgehen. Eine solche Grundausstattung ist für erstaunlich wenig Geld zu bekommen. Und wenn Sie dann doch längerfristig Gefallen daran finden, spricht ja nichts dagegen einen geeigneten Raum dauerhaft als Heimstudio einzurichten.

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