Digitale Bildbearbeitung

Braucht man das wirklich?

Digitale Bildbearbeitung:

Das ist ein »Erbe« des Wechsels von der analogen Fotografie mit Film auf die digitale Fotografie. Tatsächlich war es zwar schon damals so, dass viele anspruchsvolle Fotografen sich auch mit der Arbeit im Labor befasst haben, aber es scheint nicht so unverzichtbar gewesen zu sein wie wenigstens grundlegende Bildbearbeitung heute zu digitalen Zeiten. Das dürfte daran liegen, dass einfache Bearbeitungen auch ohne teuere Spezialprogramme und Expertenwissen für jeden machbar sind.

Manche finden's einfach lästig: Jetzt hat man schon eine Kamera mit zig Automatik- und Motiv-Funktionen, und dann soll man trotzdem immer noch nachträglich an den Bildern rumfummeln müssen? Das kann doch kaum sein, denn früher, mit Film, ging das doch auch, dass nach dem Druck auf den Auslöser die Arbeit des Fotografen beendet war!

Natürlich geht das. Man ist damit aber auf dem Stand der Diafotografen von früher, die oft froh gewesen wären, wenn sie im Labor noch etwas Einfluss auf ihren Film hätten nehmen können. Weil es aber - anders wie beim Negativprozess - für sie keinen zweiten Schritt der Ausarbeitung gab, war das nicht möglich oder nur über Umwege mit sehr hohem Aufwand.

Knipser oder Fotograf

Tatsache ist: Digitalfotografie entspricht dem Negativprozess mit noch mehr Eingriffsmöglichkeiten als früher. Wer sich nicht wenigstens um die Reparatur der wichtigsten Bildmängel kümmert, wird heute als Fotograf schnell nicht mehr ernst genommen. Es wird mindestens erwartet, dass aufgeräumt wird.

Ein Beispiel: Die Kamera aus Unachtsamkeit so schief gehalten, dass das Meer auf dem Urlaubsbild »auslaufen« möchte? Kein Problem, das ist doch nur eine Sache von wenigen Mausklicks! Wer früher eine eigene Dunkelkammer hatte, der hat mit derselben Selbstverständlichkeit natürlich das unbeabsichtigte Kippen durch schräges Einlegen des Vergrößerungspapiers korrigiert.

Der RAW-Modus: ein unnötiger Luxus?

Ich bin am Anfang selber in diese Falle getappt: Auf den ersten Blick sehen die JPGs aus der Kamera nicht so viel schlechter aus als die RAW-Dateien; manchmal sogar besser. Mit Photoshop war ich damals schon gut vertraut. Was ich damals aber nicht wusste, das war die um ein Vielfaches höhere Reserve der RAW-Daten für kritische Bearbeitungen. Das war auch nicht so leicht zu erkennen, weil der RAW-Konverter noch eher spartanisch war in seinen Funktionen. Heute weiß ich, worin damals mein Denkfehler lag:

  • Ich kam einfach nicht auf die Idee, dass es schon bald qualitativ wesentlich bessere RAW-Konverter geben würde, die aus den RAW-Daten bei problematischen Bildern noch viel mehr heraus holen würden: weniger Rauschen, feinere Licht- und Schatten-Durchzeichnung, bessere Konturenschärfe, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Klar, heute ärgert mich natürlich, dass ich nur auf die JPG-Daten zurück greifen kann, die nur ein kläglicher Auszug aus den verschenkten RAW-Daten sind!

Tipp:

Verzichten Sie auch dann nicht auf den RAW-Modus, wenn Ihnen momentan oft die Bilder als JPGs und in geringerer Auflösung ausreichend erscheinen. Zugriff auf JPG haben Sie bei Bedarf sowieso. Legen Sie die RAW-Daten also ruhig zur Seite. Tun Sie das aber in dem beruhigenden Gefühl, dass noch nichts verloren ist, falls Sie es eines Tages doch einmal brauchen.

Speicherplatz ist heute so billig geworden, dass es wirklich keinen Sinn mehr macht, ausgerechnet daran zu sparen!

Kein falsch verstandener Purismus

Selbstverständlich spricht nichts grundsätzlich dagegen, dass man schon bei der Aufnahme viel Sorgfalt aufbringt, damit es im Idealfall ganz ohne Nachbearbeitung geht. Es gibt aber auch Situationen, bei denen eine Abweichung von der optimalen Einstellung im Nachhinein so leicht zu bearbeiten ist, dass es einfach keinen Sinn macht, das mit aller Gewalt unbedingt schon bei der Aufnahme machen zu wollen.

Der Weißabgleich ist so ein Beispiel. Wer früher auf Farb-Negativfilm fotografiert hat, konnte sich darauf verlassen, dass ein gutes Labor einen eventuell vorhandenen Farbstich durch entsprechend abgestimmte Filterung in der Dunkelkammer beseitigen konnte. Nichts anderes macht man heute mit dem Weißabgleich im Bildbearbeitungsprogramm. Weil schon eine kleine Korrektur oft viel bringt, ist das eine der Arbeiten, die Sie unbedingt sicher beherrschen sollten - und die Sie bestimmt nicht bei jedem Bild tatsächlich auch brauchen werden!

Ich meine:

Obwohl Sie natürlich auch mit einer Digitalkamera weiter so fotografieren können wie früher mit der Kompaktkamera mit Film, wenn Sie das nun unbedingt wollen, sollten Sie sich den vielen tollen Möglichkeiten der Bildbearbeitung nicht auf ewig sperren. Mit der »Dunkelkammer im PC« ist heute Vieles so einfach geworden, dass es sehr schade wäre, wenn Sie gerade Ihren gut gelungenen Bildern nicht noch den zusätzlichen Feinschliff geben, der wirklich kein Hexenwerk ist!