Mir ist vorige Woche im Internet etwas „über den Weg gelaufen“, bei dem ich nicht einfach weiter klicken konnte. Um ehrlich zu sein: Ich hatte das natürlich schon länger als Suche gespeichert, aber alles Bisherige war ja immer völlig uninteressant gewesen. Entweder ein Mondpreis, oder jämmerlicher Zustand.
Ein weiterer Oldie also – wie langweilig! Naja, für mich natürlich nicht, denn so was war schon immer etwas Besonderes für meinen Geschmack.
Die meisten Fahrzeuge, die heute noch angeboten werden, sind Re-Importe aus USA aus salzfreien Bundesstaaten wie Kalifornien oder Texas. Im Hinblick auf Rost ist das natürlich ein Argument, aber viele Details sind doch anders als bei den hiesigen Fahrzeugen. Klar, man kann allerlei umbauen – aber ich mag es einfach nicht!
Mir gefällt die Stimmung wie im Wohnzimmer. Die Velourssitze und das üppig verbaute Holz strahlen Gediegenheit aus. Man kann drüber lachen, aber ich finde es einfach stimmig zusammen mit dem weißen Bakelit-Lenkrad der 60er Jahre und den Armlehnen. Und wer schon mal in einem älteren Mercedes gefahren ist, der erkennt auch sofort den ganz typischen Geruch, den diese Autos alle haben.
Hier ein Detail beim Blick auf das Armaturenbrett. Das Becker Mexico Cassette Vollstereo mit Sendersuchlauf war damals das Spitzenmodell, das als Radio mitbestellt werden konnte. Mit rund 1400 DM hatte es auch einen sehr stolzen Preis. Mit dem Cassettenteil werden heute wohl nur noch die wenigsten etwas anfangen können. Ich hatte früher mal eine stattliche Sammlung an Audio-Cassetten, aber nach und nach haben die meisten den Geist aufgegeben. Die Mechanik war anfällig, und die vorher schon nicht gerade berauschende Tonqualität ist mit den Jahren noch schlechter geworden. Beeindruckt hat mich damals aber schon der Suchlauf des Mexico. Der erfolgte nämlich mechanisch! Ich hatte mal ein solches Radio offen und hab gestaunt, wie das technisch umgesetzt war.
Recht eigenwillig finde ich auch die Gestaltung und vor allem Abstufung des Tachos.
Okay, dass man sich für 30er-Schritte statt der sonst üblichen 20er-Stufen entschieden hat, das kann man ja noch damit begründen, dass dann die Zahlen so schön Abstand voneinander haben. Gefällt mir durchaus, denn ich finde, dass es irgendwie Ruhe vermittelt. Exotisch wird es dann aber vollends gegen Ende: Zwischen 200 und 240 sind jetzt plötzlich 40 km/h Abstand. Eigentlich wäre ja 230 vom Abstand her konsequent gewesen, aber ich vermute mal, dass man das „irgendwie unwürdig“ gefunden hätte mit 230 und einem Strichlein danach aufzuhören. Auf jeden Fall find ich es witzig.
Ein Blick in den Motorraum, der alles andere als klein ist, überrascht für damalige Verhältnisse aber doch durch ziemliche Enge. Wer diesen Motor nicht kennt, der muss sogar zwei Mal hinschauen, bis er erkennt, dass es wohl ein 8-Zylinder V-Motor ist. Vorne rechts sieht man einen kleinen Kompressor. Der ist für die Luftfederung zuständig. Das Fahrzeug ist also von der internen Mercedes-Bezeichnung her ein Modell W109.
Der Motor hat nicht nur einen stattlichen Platzbedarf, sondern auch ein nicht ganz geringes Gewicht: Mit rund 400 kg lastet er auf der Vorderachse.
Wer es nicht inzwischen sowieso schon erkannt hat, für den hier jetzt die Auflösung: Es ist ein 300 SEL 6.3 aus dem Jahr 1968. Der Motor war urspünglich nie für eine normale Limousine gedacht gewesen. Er war extra für den von 1964 bis 1981 gebauten Mercedes 600 entwickelt worden – ein Modell, das vor allem als Staatskarosse bekannt wurde. Dass der Motor dann doch auch in einem „normalen Mercedes“ eingebaut wurde, war angeblich eher mal ein Versuch gewesen. Man hatte nicht erwartet, dass so etwas überhaupt gefragt sein würde. Immerhin fand der 300 SEL 6.3 aber von 1967 bis 1972 doch 6256 Kunden, viele davon in USA.
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Richtig, mit Vernunft hat ein solches Auto tatsächlich nichts zu tun. Der absolut brachiale Motor bringt mit seinem Hubraum Drehmoment satt. Früher hätte ich natürlich sofort kräftig Gas gegeben. Mit meinen 62 Jahren fahre ich zwar auch heute ab und zu mal gerne schnell, aber es ist längst nicht mehr das Rasen, was mir heute Genuss bereitet. Die Autobahn lockt mich nicht mehr sehr. Viel zu dichter Verkehr und sowieso haufenweise Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ich fahre heute viel lieber Landstraße in mäßigem Tempo. Und auch da macht dieses Auto enorm Spaß. Mit 80 oder 100 kann man bei niederer Drehzahl auch auf kurvigen Strecken gut unterwegs sein. Man muss nicht schalten. Das Gaspedal am Ausgang der Kurve nur ein kleines Stück weiter runter, und schon kommt dieser herrliche Schub. Es macht einfach nur Laune…!