In letzter Zeit fallen mir im Internet immer öfter Bilder mit der Anmerkung „Bild ist unbearbeitet!“ auf. Aha. Was denke ich mir jetzt dabei?
Den meisten dieser Bilder würde man’s auch ohne den Hinweis ansehen: Kontrastspielraum schlecht ausgenutzt, schlampiger Weißabgleich, insgesamt oft einfach soßig und ohne Brillanz. Wenn ein Fotograf solche Aufnahmen zeigt, frage ich mich sofort, ob er es nicht besser kann (dann sollte er’s aber schleunigst endlich mal lernen!) oder ob er einfach zu faul ist, um sich noch irgendwelche Arbeit damit zu machen.
Ziemlich albern find ich’s aber, wenn „unbearbeitet“ noch so rausgehängt wird, als wäre es ein besonderes Qualitäts-Merkmal. „Original und naturbelassen“ soll der Betrachter dabei wohl assoziieren. Der Fotograf ist sich offenbar nicht bewusst, dass das, was die Automatik der Kamera produziert (wahrscheinlich war’s sogar noch irgendein Motivprogramm) rein gar nichts mit „unbearbeitet“ zu tun hat. Schlimmer noch: Er hat nicht kapiert, dass das, was der digitale Bildsensor liefert, ein noch unfertiges Bild ist!
Je nachdem, welche Einstellung an der Kamera man bei der Aufnahme wählt, wird dieses Bild dann durch einen Mix an Änderungen „durchgenudelt“, deren Ergebnis einem dann als das „unbearbeitete Bild“ präsentiert wird. Wenn man RAW fotografiert hat, ist das ja nicht schlimm, weil man immer noch Zugriff auf die Rohdaten des Bildsensors hat. Wer aber JPG oder TIFF gewählt hatte, der hat die Rohdaten verschenkt und kann sich einreden, das wäre jetzt wirklich das „unbearbeitete Bild“ – das das nächstes Mal, mit anderen Voreinstellungen an der Kamera, völlig anders aussehen kann.
Der Begriff „bearbeitet“ ist natürlich sehr weit gefasst. Ich meine nicht die ganzen Nacharbeiten im Photoshop, sondern die Schritte, die man sinnvoller Weise im RAW-Konverter vornehmen sollte (mindestens Weißabgleich, Belichtung, Tiefen und Lichter abstimmen), damit man erst mal „ein korrektes Bild“ erhält, das von typischen Mängeln befreit ist.
Wer meint, mit solchen Arbeiten muss er sich nicht die Finger schmutzig machen und sein Bild arrogant als „unbearbeitet“ anpreist, der hätte statt Fotograf vielleicht auch Feinschmecker-Koch werden können und sollte mal versuchen, wie gut es bei den Gästen ankommt, wenn er das Essen serviert und drauf hinweist, dass alle Speisen ungewürzt sind, weil er ja partout den „unverfälschten Originalgeschmack“ bringen möchte. Und wer trotzdem wenigstens ein bißchen Salz verlangt, der wird als Banause von oben herab angesehen.
Bei soviel Bescheidenheit fällt mir gerade ein ziemlich kontrastarmes Bild auf der Sedcard eines Amateurmodells in einer Community ein, das ich gestern gesehen hab. Drunter Stand: „Das Bild ist unbearbeitet. Ich mag es aber trotzdem.“ – Ahnungsloser oder doch nur fauler Fotograf, hoffentlich hast du den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden!