Der verhinderte Einkäufer
Vergangene Woche war ich mit einem Bekannten unterwegs, der mich schon länger damit „belagert“ hatte, mit ihm Fotosachen einkaufen zu gehen, weil er gerne einen Ratgeber dabei haben wollte. Weil ich selber auch was gebraucht hab und er gerade ein paar Tage Urlaub hatte, zogen wir jetzt also gemeinsam los.
Unterwegs im Auto kommt das Gespräch natürlich auf den Einkauf und ich frage ihn, was er denn genau kaufen will. Große Überraschung: Das weiß er noch nicht genau. Er hätte aber 800 Euro flüssig, und dafür soll jetzt endlich „was Gescheites“ her, bevor das Geld anderweitig ausgegeben ist!
Okay, 800 Euro will er also ausgeben. Aber was denn genau, frage ich: Kamera? Objektiv?
„Ein paar Objektive auf jeden Fall, dann noch ein richtig guter Blitz, ein stabiles Stativ und natürlich eine größere Fototasche. Neue Kamera muß aber natürlich auch bald eine her – eine professionellere halt“, erklärt er mir.
Es entsteht ein etwas wirres Gespräch, in dem wir erst ziemlich aneinander vorbei reden, bis ich ihm klar zu machen versuche, daß 800 Euro da wohl nicht weit reichen werden.
Er meint, gebraucht käme aber auf keinen Fall in Frage, weil er das ja steuerlich absetzen will (ich erfahre, daß er Anfang des Jahres eine Nebentätigkeit als Fotograf angemeldet hat – „erst mal vor allem für Parties und Events“), und die Garantie sei ja auch sehr wichtig – was sicher ein Argument ist.
Weil jetzt doch eine Menge Fragen aufgetaucht sind, gehen wir erst mal einen Kaffee trinken.
Er hat einige Bilder dabei, die sich wirklich sehen lassen können und die er zu einer Mappe zusammenstellen möchte, als so eine Art Referenz. Momentan hat er eine Nikon D80 und ein Kit-Objektiv dazu, sonst noch nichts. Ich sage ihm, daß nach meiner Meinung die Kamera für seinen Zweck erst mal vollkommen ausreicht und Objektiv und Blitzgerät am ehesten nötig sind.
Ich staune aber wahre Bauklötze, als das Gespräch auf ein paar technische Details kommt und ich merke, daß er nicht nur Lichtstärke und Brennweite in einen Topf wirft („je niederer die beiden Werte sind, desto besser ist das Objektiv doch, gell?“), sondern seine Kamera auch nur im Modus „P“ oder in einem der Motivprogramme bedienen kann. Prompt stellt sich auch heraus, daß er glaubt, eine „richtige Profikamera“ wäre deshalb eine gute Anschaffung, „weil die ja bestimmt viel mehr Motivprogramme hat!“
- Ich lerne dabei: Wenn jemand ein Gefühl für Bildgestaltung hat und die Motivprogramme seiner Kamera gut kennt, kann er damit tatsächlich ziemlich intuitiv und fast ohne Grundwissen erstaunlich beeindruckende Bilder machen.
- Er lernt dabei: Profikamera ist nicht gleich noch mehr Motivprogramme („und natürlich Gesichtserkennung!“), sondern man sollte schon solides Grundlagenwissen haben, um eine solche Kamera vernünftig nutzen zu können.
Um es kurz zu machen: Es war für uns beide ein interessanter Tag mit überraschenden Erfahrungen. Und wirklich unglücklich war der verhinderte Einkäufer nicht – auch wenn sich seine Beute an diesem Tag ziemlich unerwartet auf ein preiswertes Fotobuch von Andreas Feininger und einen ganzen Packen Prospekte beschränkt hat.
DAs liest sich aber nett ! (grins) so soder so ähnlich dachte ich auch mal von 30 JAhren. Eine GUTE Kamera kaufen und der Rest erledigt sich selber. MANN lernt eben dazu. Auch die so nett beschriebene Person erfasst sicher auch noch die Möglichkeiten der Bildkonstruktion bevor Photoshop entdeckt wird……
Dein „Einkäufer“ erinnert mich unheimlich stark ein einige meiner Bekannten, die „endlich auch gute Bilder“ machen wollen …
Ein immer stärker werdendes Schmunzeln beim Lesen stellte sich ganz von alleine bei mir ein
Werner