Ich zeige meine Bilder nicht nur auf meiner Homepage, sondern auch in verschiedenen Foren – so, wie ich halt grad Lust hab. Immer wieder staune ich dabei über das, was sich bei den Kommentaren zwischen den Zeilen heraus lesen lässt.
Natürlich ist jede Community eine kleine Mikrowelt für sich mit ihren eigenen Normen und Regeln für das erwartete Verhalten. Eigentlich nicht viel anders als in der realen Welt auch, aber durch die höhere Anonymität des Internets dann schon recht ausgeprägt.
Ruhm und Ehre
In Foto-Foren findet man immer Nutzer, die auf der Jagd nach Lobeshymnen für ihre Werke sind. Dafür sind möglichst umfangreiche Seilschaften von Nutzen: Kommentierst du bei mir (hoffentlich nur positiv aber!), dann werd ich mich sofort auch bei deinen Bildern auslassen. Fest versprochen! Das kann eine Eigendynamik entwickeln und ein Ausmaß annehmen, dass man schon fürchten muss, dass der Bildschirm Schaden nimmt und zu viele Fliegen anzieht, so unglaublich klebrig wird’s! Igitt. Besonders ausgeprägt finde ich diese Unsitte in der Fotocommunity. Einer der Gründe, warum ich mich dort nicht wohl fühle und nur selten mal reinschaue.
Alle wollen dazu lernen – oder nicht?
Ewig dazu lernen wollen, das ist schon fast ein Glaubensbekenntnis, gegen das man ja nichts sagen darf. Komisch nur, dass ich bei vielen Amateur-Fotografen, die ich in Foren oder bei Stammtischen kennengelernt habe, bei näherem Hinsehen eher das Gegenteil bemerke: Stolz zur Schau getragenes Gockel-Gehabe, das mit beiläufig-lockerem Namedropping (was, du weißt nicht, was das ist?) und betont legèrem Herumzeigen der neuesten Erwerbungen an Ausrüstung untermauert wird.
Soll heißen: Ich glaube nicht wirklich, dass es so vielen um das Dazu-Lernen geht. Muss es auch nicht, finde ich, denn ab einem gewissen technischen Stand der fotografischen Fähigkeit emtscheidet dieser Aspekt der Fotografie immer weniger darüber, wie gut, gelungen und aussagekräftig die Bilder werden.
Ich denke, eine große Rolle für die eigene fotografische Weiterentwicklung spielt es, wie überlegt man heran geht. Mit überlegt meine ich nicht technisches Gebastele und schon gar nicht das Nach-Fotografieren der Bilder anderer Fotografen, sondern ich meine den kreativen Anteil der Fotografie, der in der Imagination und Vorwegnahme des Bilds im Kopf beginnt. Dort passiert das Entscheidende und nicht in der mechanisch-sturen Umsetzung irgendwelcher „Regeln“, denen angeblch der gute Fotograf zu folgen hat.
Die Besserwisserei
Manchmal schüttelts mich wirklich, wenn ich typische Kommentare in den schlimmeren Foren so lese. Los geht’s meist mit der Identifikation vermeintlicher Fehler: Ganz eindeutig ist da doch eine Stelle im Bild, an der es an Detailzeichnung fehlt und die Lichter ausfressen (oder die Schatten zulaufen – ganz nach Belieben…). Und überhaupt, der Weißabgleich lässt auch zu wünschen übrig. Es folgen dann gerne Meinungen zum Bildschnitt („links sollte mehr Raum sein, dafür rechts knapper beschneiden“ usw. in beliebiger Kombination).
Solche Art von Kommentaren zeigt mir, dass diese Menschen die Fotografie noch immer überwiegend als möglichst sorgfältig zu bewältigende technische Aufgabe sehen. Dass der Fotograf vielleicht auch ein Bild bewusst ganz genau so gestaltet und ausgearbeitet haben könnte, weil das eben seiner Bildidee so am besten entspricht, das scheint außerhalb der Vorstellungswelt dieser Knipser zu liegen.
Das ist schade, denn mit einer solchen Auffassung löst sich der schöne Wunsch nach Dazu-Lernen-Und-Besser-Werden weitgehend in Luft auf, weil überhaupt nicht erkannt wird, worin die eigentliche Anforderung kreativer Fotografie liegt: Die Technik ist nur Hilfsmittel für die gestaltende Fotografie. Genau so wenig, wie ein ausdrucksstarkes Bild durch die Verwendung einer einfachen Kamera entscheidend an Ausdruck verliert, wird ein schwaches Bild durch die Verwendung einer teueren Fotoausrüstung und stundenlange Nachbearbeitung mit Photoshop nennenswert an Ausdruck (und Aussage!) gewinnen.
Da fällt mir doch Georg Christoph Lichtenberg ein, dessen Sudelbücher ich gerade lese: Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.