Vergangenen Sonntag hatte ich ein eher unscheinbares Erlebnis, über das ich zunächst sicher keinen Blog-Eintrag geschrieben hätte.
Ich saß, mit dem Notebook bewaffnet, gemütlich vor meinem Rottenburger Wochenends-Stamm-Bistro „Amadeus“ und wollte an meinem aktuellen Buch arbeiten (dazu mehr in einem späteren Beitrag). Plötzlich werde ich angesprochen: „Wir kennen uns irgendwo her!“ Überraschungseffekt und ratter-ratter in der Erinnerung, aber lang nachdenken musste ich dann doch nicht: Josef Held, bei dem ich vor über 25 Jahren meine Diplomarbeit geschrieben hab und zu dem dann – trotz gutem Verhältnis – doch recht bald der Kontakt abgerissen ist. Gefühlsmäßig seit mehr als 20 Jahren, denke ich.
Meine erste Reaktion war einfach Freude über das überraschende Wiedersehen. Josef hat mir am Anfang meines Psychologie-Studiums die Kritische Psychologie nahe gebracht und war nicht unwesentlich daran beteiligt, dass mir damals in der „AG Sozialfotografie“ klar wurde, dass die Fotografie für mich schon deutlich mehr als ein bisschen Hobby ist. – Das waren eine Menge angenehme und für mich wichtige Erinnerungen, die mir erst später nach und nach wieder bewusst wurden.
Wir haben uns eine ganze Weile intensiv über vergangene Zeiten unterhalten, in allmählich wieder auftauchenden Erinnerungen geschwelgt und natürlich auch irgendwann über HEUTE geredet. Erste Überraschung: Josef ist inzwischen emeritiert. Auch wenn wir nicht sooo weit auseinander sind, hätte ich daran niemals gedacht. Mir werden meine eigenen 56 Jahre plötzlich ganz anders bewusst. Schluck.
Nachwirkungen
Dass ich jetzt diesen Blog-Beitrag schreibe, daran sind die vergangenen drei Nächte Schuld. Ich hätte das zufällige Treffen vom Sonntag schon so gut wie vergessen, wenn ich jetzt nicht gleich drei Mal einen Traum gehabt hätte, der ganz klaren Bezug zu diesem Ereignis hatte. Über weite Strecken wirr und unwirklich, wie Träume halt so sind, aber sie haben Bezug zu Erlebnissen aus dieser Zeit, die ich längst vergessen hatte.
Das allein fand ich schon ungewöhnlich, aber noch intensiver und ungewohnt nah greifbar war bei diesen Träumen eine seltsame Melancholie, als wäre gerade eben etwas Wichtiges zu Ende gegangen. Kein total trauriges Gefühl, aber doch eine spürbar „schwergewichtige“ Komponente dabei.
Das Grundgefühl, dass Zeit begrenzt ist und deshalb für mich jetzt immer wichtiger wird. Keine bedrohlche Erfahrung, aber ich merke doch, dass eine durchgängig bisher in meinem Leben der letzten 20 bis 30 Jahre vorhandene Leichtigkeit einer etwas anderen Grundstimmung weicht. Vielleicht auch schon unbemerkt gewichen ist.