Ab und zu denke ich schon mal drüber nach, ob das nicht was wäre, das man als Fotograf einfach dokumentieren muss.
Dann merke ich aber bald, dass ich wirklich kein Dokumentarfotograf bin. Nicht deshalb, weil mich so was nicht interessieren würde (tut es sogar sehr: Ich schaue mir mit großem Interesse alte Aufnahmen an), sondern es wäre mir ein Ballast. Wenn ich mir ein Thema aussuche, dann möchte ich es auch sorgfältig machen. Den Anfang hab ich natürlich eh schon verpasst. Aber das ist keine Entschuldigung.
Es ist einfach so, dass es mir ein schrecklicher Gedanke wäre, sich mit so einem Projekt sicher länger als zehn Jahre zu „binden“, um etwas in sich Abgeschlossenes liefern zu können.
Es ist nicht fehlende Geduld, sondern einfach das grundlegend andere Verständnis von Fotografie, über das ich hier stolpere: Selbstverständlich kann man auch Dokumentarfotografie sehr gut oder ziemlich schlecht machen. Mich stört dabei aber, dass die „künstlerische Freiheit“ ein Fremdkörper wäre, der nicht gern gesehen ist. Dokumentarfotografie soll „die wahre Wirklichkeit zeigen“ und nicht die willkürliche Interpretation und Sichtweise eines Fotografen. – Ich weiß, sooo stimmt es nun ja auch wieder nicht; aber ich genieße es, bei meiner Fotografie sehr weit reichende Freiheit zu haben und vor allem nicht an Termine gebunden zu sein.
Ich werde Stuttgart 21 also nicht fotografieren – egal ob jetzt der Bahnhof in die Grube wandert oder ein gewisser Grube selber dort hocken bleibt.
Ehrlich gesagt fehlt mir auch das richtige Engagement bei der ganzen Geschichte: Wegen mir muss der Bahnhof gewiss nicht versenkt werden. Es gibt genug große Städte auf dieser Welt, die mit einem oder mehreren Sackbahnhöfen gut funktionieren. Ich sehe nicht ein, dass das jetzt in Stuttgart nicht möglich sein soll. Die angeblich so gewaltige Zeitersparnis ist unterm Strich doch Augenwischerei: Jedem, der nicht gerade im Zentrum Stuttgarts wohnt und ganz zufällig ins Zentrum Ulms fahren möchte, ist mit der angeblich halben Stunde Zeitersparnis nur wenig geholfen. Der überwiegende Teil der Zeit wird doch dafür verplempert, um von außerhalb erst mal zum Stuttgarter Hauptbahnhof zu kommen und vom Hauptbahnhof Ulm oder jedem anderen Hauotbahnhof aus vollends ans Ziel.
Viel sinnvoller wäre es deshalb, endlich mal diese Vernetzung wesentlich zu verbessern und nicht an Wochenenden und oft schon am frühen Abend einfach nicht stattfinden zu lassen. Erst dann, wenn das einmal besser funktioniert, wäre die Bahn für mich ein Verkehrsmittel, das ich ernsthaft in Betracht ziehen würde.
Aktiv werden gegen Stuttgart 21?
Wer das tun mag, hat meinen Segen. Der Massenwahn, der da längst entstanden ist, hat mir aber was Faules an sich: Eventkultur lugt aus allen Löchern hervor. Natürlich, man ist dagegen, aber so begeistert mitmachen, tun das nicht viele doch auch ein bisschen deshalb, weil man einfach „dabei sein“ will? Wird es die Welt wirklich so sehr verändern, ob dieses alberne Loch nun gegraben wird oder nicht? Klar, es bedeutet mindestens zehn Jahre Großbaustelle (und schon deshalb bin ich dagegen). Aber ist es wirklich das, wofür man soviel Einsatz aufbringen sollte? Mir würden da allein in Deutschland gleich auf Anhieb eine Hand voll anderer Dinge einfallen, die ich wichtiger finde!