Der Gestaltungs-Regel-Hörige
Der Lebensraum dieser Spezies Fotograf waren ursprünglich vor allem Fotoclubs und -vereine. Er konnte sein Habitat aber durch das Internet ganz entscheidend ausweiten und ist heute auch in fast allen Foto-Communities anzutreffen.
Sein auffälligstes Merkmal ist, daß er Kreativität für die Kunst der Anwendung glaubensbekenntnisartiger Gestaltungsregeln hält, die man eigentlich nie in ihrer unfaßbaren Gesamtheit alle kennt, aber gegen die man nur im sorgfältig begründeten Einzelfall verstoßen darf. Um die Gestaltung aber überhaupt kompetent beurteilen zu können, ist die Bildbetrachtung wichtig – eigentlich schon eine Kunst für sich:
Link: Angewandtes, holistisches Bildbetrachtungs-Anleitungs-Hilfssystem
Der Gestaltungs-Regel-Hörige unterwirft sich dem Regelsystem gerne, weil es ihn keinen wirklichen Verzicht kostet, sondern er outet sich durch die Kenntnis des Gestaltungs-Regelsystems als Fachmann, für den Goldener Schnitt, dynamische Fluchtlinien, Komplementärkontraste und dergleichen mehr zum täglichen Brot gehören.
Viele der Regeln lassen einen gewissen Spielraum offen, der Anlaß für endlose Debatten bietet: Ist z.B. die fallende Diagonale im Bild optimal angeordnet oder wäre es nicht noch besser gewesen, sie minimal weiter rechts zu positionieren, weil dann nämlich das Dreieck oben rechts nicht so dominant…? – ad infinitum.
Meine Meinung dazu:
Regeln für die Bildgestaltung in der Fotografie finde ich nur von sehr begrenztem Nutzen. Sie taugen durchaus etwas, um sich bewußt zu machen, welche unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten es gibt. Man ist aber unterwegs in eine Sackgasse, wenn man glaubt, man könnte dieses Wissen in der Art eines Kochbuchs einsetzen. Wesentlich größeren Nutzen wird man davon haben, sich konsequent um die Entwicklung einer Bildsprache zu bemühen, durch die die eigenen Fotografien als persönliche Arbeiten erkennbar und zuordenbar werden.