Die Zeiten, wo meine Fotoausrüstung gar nicht groß genug sein konnte, liegen schon lange zurück. Ich genieße inzwischen viel mehr die Kompaktheit der Ausrüstung. Deshalb überlege ich auch wesentlich gründlicher, ob ich mir noch ein Objektiv dazu kaufe oder nicht.
Ich habe jetzt ja die Fuji X-Pro1 und hatte dazu bisher die Objektive 2/18 mm, 1,4/35 mm und 1,2/56 mm (APS-C-Format, also Verlängerungsfaktor 1,5). Das ist ein Brennweitenspektrum, das für meine Zwecke durchaus reicht. Ich hatte mir aber, gleich als es rauskam, das 2/90 mm angeschaut und hatte Gelegenheit einige Aufnahmen damit zu machen. Die unglaubliche Detailschärfe hat mich sofort fasziniert, und so war eigentlich schon klar, dass dieses Objektiv über kurz oder lang her musste! Was ich dann ja auch getan hab.
Ich liebe ja Fotografie mit weit offener Blende sehr und ganz besonders bei Menschenaufnahmen. Mit Blende 2,0 beim 90-mm-Objektiv muss man schon genau aufpassen, wo die optimale Schärfe hin soll. In dem Fall hier hab ich das rechte Auge angepeilt für den Autofokus, und das hat ja auch prima gepasst.
Durch die nur minimale Tiefenschärfe taucht natürlich der Hintergrund in starker Unschärfe ab. Der Blick des Betrachters wird nicht durch belanglose Details vom Model abgelenkt. Auch früher, mit der Nikon-DSLR und dem 1,8/85 habe ich vergleichbare Bilder gemacht. Es war men Lieblingsobjektiv, an dem ich nichts zu meckern hatte. Wenn ich aber jetzt Bilder anschaue, die ich damals gemacht habe, kam selten eine Blende kleiner als 2,4 zum Einsatz, weil die Kontraste und Detailschärfe bei 1,8 schon arg in die Knie gingen.
Weil ja bekanntlich das Bessere der größte Feind des Guten ist, habe ich hier mal ein Detail aus dem Bild oben bei 100% heraus gepickt. Ich denke, da sind keine weiteren Erklärungen nötig. Das 90er ist auch bei ganz offener Blende so etwas von brillant und konturscharf, dass man wirklich nur staunen kann. Für eine vergleichbare Qualität hätte ich mit dem 85er Nikon sicher mindestens bis 5,6 oder 8 abblenden müssen.
Nicht übersehen will ich der Fairness halber aber den Preisunterschied: Das 90er Fuji kostet gut das Doppelte. Diese Ausgabe bedauere ich aber keine Sekunde lang.
Hier noch ein Beispiel, was ich an der so geringen Tiefenschärfe mag: Die mit Raureif überzogenen Zweige im Hintergrund sind keine zwei Meter vom Model entfernt. Sie bekommen durch die Unschärfe aber eine so unwirkliche Erscheinung, dass es fast auch eine künstliche Dekoration im Studio sein könnte. Mit solchen Irritationen spiele ich gerne. Unser Auge hat bei Sonne wie hier nur eine kleine Pupille, also hohe Tiefenschärfe. Ein Bild, wie es hier die Kamera gesehen und festgehalten hat, gibt es in der Realität für das menschliche Auge nicht. Deshalb finde ich es reizvoll gerade einen solchen Effekt gezielt zu erzeugen und gestalterisch einzusetzen.