Ich arbeite ja an meinem dritten Fotobuch, das das Magische Licht – also Fotografie bei nicht alltäglichen Lichtsituationen – zum Thema hat. Meine Bücher ändern sich beim Werden noch ganz erheblich. Momentan geben mir vor allem die Nachtaufnahmen viel zu denken.
Ich bin jetzt schon zum so und so vielten Mal bei den Nachtaufnahmen gelandet, obwohl ich ursprünglich dachte, das würde eher nur ein kürzeres Thema werden. Denkste! Ich stoße auf Schritt und Tritt auf so viele Fragen, dass ich ganz fasziniert bin davon und schon die nächste Bildidee entsteht. Ich greife mal ein Beispiel heraus – gestalterisch ohne Anspruch, es war nur als Test zum Festlegen der Belichtung gedacht.
Das obere Bild war das, wie die Kamera das „sehen wollte“, die Belichtung manuell so gewählt, dass das Histogramm einen guten Eindruck machte, den Weißabgleich der Kamera überlassen.
Ich hätte bei der Ausarbeitung am Computer gerne meine Erinnerung abrufen können: Wie hatte ich das gesehen an dem Abend, wirklich auch so? Ich weiß es nicht mehr genau. Der Kontrastumfang war wohl schon so ähnlich, aber die Farbstimmung hab ich kühler in Erinnerung. Kann sein, dass das nur Einbildung ist und dass ich was körperlich Empfundenes hier mit rein bringe. Es war nämlich ein kalter, windiger, verregneter Abend, den ich sicher „kühler erspürt“ habe. Ich beschließe, dass ich den Weißabgleich ein kleines Stück in Richtung Kunstlicht verschiebe: Ja, das passt besser.
Dann passiert, wozu ich mich vom RAW-Konverter so oft und gerne verleiten lasse: einfach noch ein bisschen probieren und ruhig auch ein paar extremere Werte an den vielen Schiebereglern mal testen.. Obwohl ich natürlich weiß, wie sich was auswirken wird, fasziniert mich jedes Mal neu „das Spielen“ mit diesem wunderbaren Werkzeugkasten.
Nach wenigen Minuten ist dann schließlich das untere Bild entstanden. Ich schaue es kritisch an und versuche ohne vergleichenden Blick zur vorhergehenden Version abzuschätzen, wie sehr es sich wohl tatsächlich unterscheiden wird und wodurch genau. Na klar, der Weißabgleich etwas kälter, das war ja Absicht. Und sonst? Den Schatten hab ich mehr Durchzeichnung gegeben. Aber nur ein bisschen, da bin ich mir fast sicher.
Als ich die beiden Ausarbeitungen der gleichen RAW-Aufnahme dann nebeneinander stelle, bin ich mal wieder sprachlos.
Kein Richtig und kein Falsch
Mir ist klar, dass es für mich als frei gestaltendem Fotograf, der selbst entscheiden kann, wie er seine Bilder haben möchte, schon lange keinen Sinn mehr macht diese Frage zu stellen. Und ich bin auch sehr froh, dass ich sie mir nicht stellen muss, denn schließlich bin ich kein Handwerker, der absolut exakt tonwertgenau Stoffmuster oder Gemälde abfotografieren muss. Obwohl ich das weiß und meine gestalterische Freiheit auch sehr genieße, tappe ich aber immer wieder in die gleiche selbst gestellte Falle meiner eigenen Erwartung rein: dass ich es eben so ausarbeiten werde, „wie ich das gesehen habe bei der Aufnahme“ – du liebe Güte, wie naiv dieser Anspruch!
Für mein Buch heißt das, dass ich diese Erkenntnis einarbeiten möchte. Es wird wahrscheinlich etwas weniger unterschiedliche Kochrezepte (=Themen) geben, die aber oft in ihrer so interessanten Vielseitigkeit nebeneinander präsentiert. Ich arbeite fleißig daran.