Available Light (2)
Lohnende Motive finden
Den richtigen Blick trainieren
Wer sich einem für ihn neuen fotografischen Thema zuwendet, der hat am Anfang eventuell mit einer gewissen "Motiv-Blindheit" zu kämpfen. Verstärkt wird dieses Problem noch dann, wenn er mit dem klassischen optischen Sucher arbeitet. Das, was man nämlich bei spärlichem Licht dabei sieht, weicht sehr stark davon ab, was der Bildsensor "sieht" und was er beim Druck auf den Auslöser schließlich daraus macht.
Draußen
Das Licht beginnt für Avaiable Light interessanter zu werden ab einsetzender Dämmerung. Achten Sie mal drauf, wie sich die Lichtstimmung ändert. Vielen fällt dazu nur die "Blaue Stunde" ein, aber es ist nicht nur die Farbe blau (das entscheidet eh der Fotograf mit dem von ihm gewählten Weißabgleich bei der Ausarbeitung), sondern viel spannender finde ich das entstehende Mischlicht.
Nürnberg am frühen Abend
Es gibt bei einer solchen Beleuchtung für den Weißabgleich kein festgelegtes "Richtig" oder "Falsch". Ich habe mich hier dafür entschieden das weiße Hemd des Kellners als die Orientierung zu nehmen. Letzten Endes ist es aber Geschmackssache beziehungsweise eine Frage davon, wie warm, neutral oder kühl man das Bild erscheinen lassen möchte.
Ravenna in der späten Dämmerung
Dem Bild aus Ravenna habe ich einen merklichen Touch in Richtung Magenta / Violett gelassen. Das hat mir gefallen, weil die Pflastersteine im Vordergrund in einem fast neutralen Grau erscheinen. Machen Sie sich aber bewusst, dass es nur eine subjektive Ausarbeitung ist. Selbstverständlich hätte man das Bild auch ganz anders abstimmen können.
Advent in Rottenburg a.N.
Auch hier wieder eine Aufnahme aus der schon fortgeschrittenen Dämmerung. Der Himmel ist aber noch nicht dunkel. Das macht die Bildgestaltung einfacher.
Finstere Wolken an der Neckarbrücke
Dieses Bild mag ich besonders gerne: die extrem unfreundliche Wolkenstimmung in Kombination mit dem warmen Kunstlicht der Rottenburger Josef-Eberle-Brücke. Es war Ende November und erst kurz nach fünf Uhr nachmittags.
Heute kein Service draußen!
Wenn man die Augen offen hält, lassen sich auch bei schlechtem Wetter im Vorbeigehen oft ganz reizvolle Motive finden. Ich hätte aber nur wenig Lust erst das Stativ aufbauen zu müssen. Mit einem lichtstarken Objektiv ist das aber auch nicht nötig.
Hier gibt's noch Döner!
Keine Angst vor starken Kontrasten: RAW bewältigt einen enormen Umfang
Innenräume
Drinnen fotografieren hat den unzweifelhaften Vorteil, dass man vom Wetter unabhängig ist. Mit Innenräume meine ich nicht einfallslos nur die eigene Wohnung. Ich fotografiere zum Beispiel auch gerne in Kneipen und Gaststätten. Das Licht ist oft schummerig-gemütlich, was einem meist heller vorkommt als es wirklich ist. Deshalb ist auch hier wieder ein geeignetes Objektiv von eindeutigem Vorteil.
Zum Beispiel Kneipen
Es gibt dort unglaublich viele kleine Dinge zu sehen, für die man erst ein Auge entwickeln muss. Man kann das aber sehr gut trainieren und wird durch interessante Motive belohnt. Geduld und Aufmerksamkeit sind wichtig dafür.
Interessanter blau-roter Lichteinfall: eine unwirkliche Stimmung!
Auch dieses Motiv nur am Rande entdeckt
Wer in Ruhe in Kneipen fotografieren möchte, tut natürlich gut daran nicht gerade zu einer Zeit dort einzulaufen, wie es rappelvoll ist. Man kann zwar trotzdem irgendwie irgendwas zum Fotografieren finden, aber mir macht das dann keinen wirklichen Spaß.
Tief in Gedanken
Warten aufs Essen
Vielleicht ist dem einen oder anderen auch schon aufgefallen, dass ich bei dieser Art von Bildern oft ziemlich nah ans Objekt ran gehe. Das muss nicht zwingend so sein, aber es ergibt sich einfach oft von selbst, weil mir irgendein kleines Detail auffällt. Es macht also Sinn, dass man nicht ausgerechnet mit dem langen Tele dafür unterwegs ist.
Aufmerksamer Zuhörer beim Kneipengespräch
Sonntags im Café bevor die Familien einfallen
In der Raucherkneipe
Auch hier gilt: Ich meine, es müssen gar keine spektakulären Motive sein. Entscheidender ist, dass ich die Kamera auch wirklich fast immer dabei habe. Es gibt so viele Gelegenheiten und Momente, die ich einfangen kann. Und längst nicht alles braucht enorme Lichtstärke. Wenn ich allerdings erst anfangen muss umständlich die Kamera aufzubauen, dann ist das einfach kontraproduktiv. Meine Immer-Dabei-Kamera ist ganz aktuell die Fuji X100F. Sie hat nur eine nicht wechselbare Festbrennweite, die aber mit 2,0/23 mm ausreichend lichtstark ist und auch bis weit in den Nahbereich einsetzbar ist. In absolut feine Kamera, mit der ich sehr gerne arbeite.
Oder wie wär's mit Kirchen?
Ich bin kein gläubiger Mensch und habe deshalb keinen religiösen Draht zu sakralen Bauten. Eine Kirche besteht ja aber nicht nur aus dem "religiösen Teil". Vor allem ältere Kirchen und besonders die etwas größeren beeindrucken mich einfach von der architektonischen Seite her.
In der Kathedrale von Le-Puy-en-Velais
In der Kathedrale von Le-Puy-en-Velais
Im Dom von Ravenna
In der St. Marienkirche in Stralsund
Kneipen und Kirchen sind nur zwei recht willkürlich gewählte Beispiele für Innenaufnahmen, an denen ich zeigen wollte, dass Available Light eine enorm große Vielfalt an fotografisch sehr lohnenden Themen bietet, vieles davon nur für einen winzigen Moment sichtbar. Finden Sie genau die Nischen, die Sie persönlich begeistern können, und ich bin sicher, es wird keine Langeweile aufkommen!
Zusammenfassung
Gerade bei Available Light sind es oft Details, die ein Bild interessant werden lassen. Schulen Sie Ihren fotografischen Blick dafür, dass die all zu leicht übersehenen Dinge wahrgenommen werden. Dann werden Sie bald merken, was für eine große Zahl an Motiven nur darauf warten von Ihnen erfasst zu werden.
Und auch hier gilt wieder: Ein Stativ würde maßlos stören. Der Fotograf muss sich nicht verstecken, aber er soll auf keinen Fall zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit werden.
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