Available Light (3)
Schwierige Lichtverhältnisse
Worum es in diesem Beitrag geht
Ich fotografiere ja gerne bei wenig Licht, abends oder nachts, und zusammengefasst: bei fotografisch schwierigem Licht. Für mich hat das einen besonderen Reiz. Ich möchte heute näher darauf eingehen welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein sollten.
Voraussetzungen, die mir wichtig sind
Ich möchte ohne Stativ auskommen, weil das die Flexibilität doch erheblich einschränkt und mir schon lästig ist das rumtragen zu müssen, denn ich möchte so wenig Ballast wie möglich haben.
Etwas Bildrauschen finde ich noch akzeptabel, aber es sollte auf keinen Fall in der Bildwirkung dominant werden.
Ich mag keine »soßigen« Bilder, bei denen einfach die Kontrastverhältnisse einfach nicht mehr stimmen und wesentliche Details schon fast untergehen.
Da ich gerne mit sehr begrenzter Schrfe arbeite und auf diese Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das lenken möchte, das mir wichtig ist, lege ich auf die Möglichkeit geringer Tiefenschärfe als Gestaltungsmittel großen Wert.
Fuji XF 1,4/23 mm, Blende 2, 1/30 Sekunde, ISO 2500
Anforderungen an die Technik
Bei diesem Motiv fällt auf, dass ein nicht ganz einfacher Kontrastumfang vorherrscht. Ein qualitativ hochwertiges Objektiv darf bei einer solchen Lichtsituation nicht »in die Knie« gehen. Der volle Kontrast sollte erhalten bleiben, Überstrahlungen in benachbarte dunkle Bereiche sollte es möglichst keine geben, und die Farbsättigung darf auch nicht leiden. Ich möchte hier keine Kompromisse eingehen und bin anspruchsvoll, was ich vom Objektiv erwarte.
Weil ich auch Wert darauf lege die Blende wegen der Tiefenschärfe weit öffnen zu können, scheiden allein deshalb Zoom-Objektive schon weitgehend aus. Es gibt zwar welche mit Blende 2,8 durchgehend, aber die sind nicht nur ziemlich teuer, sondern sie haben auch ein stattliches Gewicht, was mir nicht zusagt.
Welche Lichtstärke ist wirklich nötig?
Darauf gibt es keine feste Antwort. Ich meine aber, je höher desto besser. Ich besitze mehrere Festbrennweiten mit Lichtstärke 1,4 oder noch besser (das 1,2/56 mm zum Beispiel). Alle bringen auch bei ganz offener Blende tadellose Qualität, aber sie sind zugegebenermaßen auch nicht ganz billig gewesen. Oft gibt es Objektive gleicher Brennweite in unterschiedlicher Lichtstärke (bei Fuji sind das dann meist 1,4 und 2,0). Ich meine, mit einem 2,0-Objektiv lässt sich auch noch gut arbeiten, aber noch weniger Lichtstärke würde ich nicht nehmen.
Bildstabilisator
Es ist kein absolutes Muss, aber ich möchte nicht mehr drauf verzichten: Ein guter Bildstabilisator erleichtert das Fotografenleben doch ganz erheblich! Je nach Kamerahersteller ist der Bildstabilisator entweder fest im Objektiv eingebaut oder im Kameragehäuse. Ich finde, wirklich Sinn macht nur letztere Version, weil es keinen nennenswerten Vorteil bringt diese Funktionalität jedes Mal neu zu bauen. Ich fotografiere aktuell mit der Fuji X-H1 (Bildstabilisator im Kameragehäuse) und weiß es sehr zu schätzen, dass jetzt alle meine Objektive davon profitieren. Wie gesagt, es geht auch ohne, aber man gewinnt doch ganz erheblich Spielraum bei der freihändig nutzbaren Belichtungszeit.
Nur im RAW-Modus fotografieren
Auch wenn die technischen Voraussetzungen bei Ihnen stimmen, sollten Sie nicht der bequemen Verlockung verfallen und mit JPG fotografieren. Ich stimme alle meine Bilder einzeln ab. Manche brauchen nur wenig Korrektur, aber bei einigen lasse ich mir doch recht viel Zeit und probiere verschiedene Einstellungen aus. Mit RAW kann nichts passieren, weil die Originaldaten dabei ja nicht verändert werden. Es ist mir auch wichtig, dass ich fast beliebige partielle Korrekturen machen kann um z.B. bildwichtige Bereiche separat abstimmen zu können. Das macht zwar etwas Arbeit, aber bei einer gelungenen Aufnahme sollte das gar keine Überlegung sein, um das Maximum rauszuholen.
Ein aufmerksamer Blick ist nützlich
Dieser Beitrag ist mit »schwieriges Licht« überschrieben. Tatsächlich sind aber Lichtsituationen, die auf den ersten Blick problematisch erscheinen, oft überraschend leicht in den Griff zu bekommen. Moderne Digitalkameras verkraften einen viel höheren Kontrastumfang wie früher zu Analog-Zeiten das Filmmaterial. Da hat sich wirklich viel getan. Natürlich gibt es Grenzen, aber die muss man meistens gar nicht ausreizen. Schauen Sie noch mal das Bild oben an: Man könnte ja meinen, dass das Fotomodell aufwändig von hinten »studiomäßig« ausgeleuchtet wurde. Nichts davon trifft aber zu. Die einzige Lichtquelle war die Beleuchtung des Parkdecks (Neonröhren). Es war völlig ausreichend darauf zu achten, dass das Gesicht durch eine leichte Kopfdrehung gen
Das bedeutet, dass man natürlich nicht einfach wild drauflos schießen sollte. Wenn ich mir nicht sicher bin, ist es ja kein großer Aufwand einen Testschuss zu machen. Auf dem Display ist dann schnell zu sehen, ob alles passt oder ob man doch zu dicht an die Grenze kommt. Wer das mag, der kann auch das Histogramm zu Rate ziehen. Ich benutze es aber fast nie, weil mir der Blick auf das Display mit dem Testschuss völlig genügt. Die meisten Korrekturen beschränken sich dann auf kleine Positionsänderungen oder eben - wie oben erwähnt - eine leichte Korrektur der Pose.
Apropos Histogramm: Viele Fotografen lassen sich standardmäßig warnen wenn Tiefen oder Spitzlichter beschnitten werden und korrigieren das dann sofort. Tatsächlich ist das aber oft völliger Unsinn: Längst nicht alles, das der Bildsensor sauber abgestuft festhalten kann, interessiert mich für mein Bild.
Empfehlung:
Sehen Sie sich nochmals das Bild oben an. Hier hat der Himmel im Hintergrund ja sogar noch etwas Durchzeichnung. Das stört hier nicht, weil sowieso weit außerhalb der Schärfezone. Manchmal bekommt es aber einem Bild sogar gut dunkle Schattenbereiche sogar ganz bewusst »absaufen« zu lassen, weil sich dort nur ablenkende und unwichtige Kleinigkeiten befinden. Orientieren Sie sich also nicht sklavisch am Histogramm, sondern überlegen Sie, was Sie wirklich brauchen.
Ausarbeitung der RAW-Daten
Ja, es kommt durchaus vor, dass manche Bilder keine Nacharbeit brauchen und direkt »entwickelt« werden können - also exportiert als JPG oder TIFF. Ich möchte aber trotzdem grundsätzlich immer erst mal die RAW-Daten haben, weil nur darin die volle Bildinformation enthalten ist. Wer aus Bequemlichkeit nur JPG fotografiert, der verhält sich ganz ähnlich wie vor einigen Jahrzehnten meine Eltern: Die Urlaubsfotos haben wir im Fotogeschäft abgeholt, dann kann ich die Negative jetzt ja in den Müll werfen... - Thema erledigt. Viel später wollte man vom einen oder anderen Bild doch gern einen etwas größeren Abzug, und es blieb nur die Möglichkeit qualitativ wesentlich schlechter per Bild-vom-Bild das machen zu lassen.
Ein dringender Rat:
Fotografieren Sie immer und ohne Ausnahme mit RAW. Speicherplatz ist heute absolut kein Kostenfaktor mehr. Deshalb wäre es dumm schon bei der Aufnahme eine Menge qualitativ hochwertiger Möglichkeiten zur späteren Ausarbeitung zu verschenken!
Keine Angst vor hohen Kontrasten
Wenn Sie mit RAW fotografieren und die Belichtung sinnvoll wählen, haben Sie mit einer Digitalkamera neuer Generation fast schon unglaublich viel Reserven.
Mit RAW-Daten hat man einen wahrhaft enorm hohen Kontrastäumfang verfügbar ohne nennenswerte Qualitätsverluste hinnehmen zu müssen.
Der Screenshot aus dem RAW-Konverter zeigt den weit nach links verschobenen Lichter-Regler (damit wird erreicht dass die sehr hellen Bildpartien noch gute Durchzeichnung erhalten) und den ebenfalls weit rechts verschobenen Tiefen-Regler (der sorgt dafür, dass die tiefen Tonwerte wie beispielsweise das Kirchendach nicht völlig »absaufen« können).
Dass der nächtliche Himmel zulaufen soll war eine ganz bewusste gestalterische Entscheidung, denn dort gibt es in diesem Bild ja nicht wirklich was zu sehen. Ebenso wurde gezielt in Kauf genommen, dass die Lampen überstrahlen sollen. Bei Bedarf wäre aber auch hier noch etwas Spielraum im Lichter-Regler vorhanden gewesen.
Was folgt daraus?
Viele auf den ersten Blick schwierige Lichtsituationen sind mit einer geeigneten Ausrüstung halb so wild. Allerdings sollte man nicht erwarten dass die Automatik ganz alleine schon perfekte Ergebnisse liefert. Das liegt maßgeblich daran, dass ich bei solchen Bildern meistens eine recht klare Vorstellung habe, wie ich das haben möchte, und das ist nicht immer identisch mit dem, was die Automatik als "richtig" ansieht.
Wenn man dann noch konsequent nur RAW fotografiert und es nicht als lästig empfindet eben den entscheidenden Schliff jedem Bild erst im RAW-Konverter zu verpassen, dann passt das!
Resümee
Haben Sie keine Angst vor schwierigeren Lichtsituationen, wenn Sie mit einer guten technischen Ausrüstung arbeiten! Gemeint ist eine halbwegs zeitgemäße digitale Technik und vor allem mindestens ein wirklich gutes und lichtstarkes Objektiv, bevorzugt also eine Festbrennweite. Ja, es geht auch mit weniger geeigneterer Technik, aber Sie verschenken viel Qualität und müssen sich nachher bei der Ausarbeitung bei jedem Bild abmühen ohne wirklich beste Ergebnisse zu erreichen.
<<< zurück zu: Motivsuche