Fotoschule: Meine Bildsprache
Was dieser Beitrag behandelt
Es gibt natürlich nicht "die" richtige Bildgestaltungstechnik. Ich mag den Begriff Bildgestaltung eh nicht. Das klingt mir irgendwie zu sehr nach Handwerk. Was ist so schlimm daran? Nichts, denn die Fotografie ist schließlich eine handwerkliche Tätigkeit. Ich möchte aber lieber den Begriff Bildsprache verwenden.
Genau so wie es Hunderte verschiedener Sprachen auf der Welt gibt werden Sie bei aufmerksamerem Hinsehen bald bemerken, dass es auch in der Fotografie sehr unterschiedliche Ausdrucksformen der einzelnen Fotografen gibt. Sie bringen mit ihren Bildern eine indviduelle Bildsprache zum Ausdruck.
Warum meine Bildsprache?
Ganz einfach deshalb, weil ich hier nicht einen Sammelband aller Bildsprachen liefern will (was eh ein kaum bewältigendes Mammutprojekt wäre). Nein, viel bescheidener: Ich möchte einen Eindruck davon vermitteln wie ich arbeite und was mir dabei wichtig ist.
Ich habe nicht den Anspruch zu sagen: Hier erkläre ich wie es geht, und jetzt machen Sie das bitte nach, dann werden Sie ein toller Fotograf werden! - Das wäre ausgesprochen albern aus gleich mehreren Gründen:
- Ich bin kein nie da gewesener begnadeter Künstler, der die fotografische Begabung mit Löffeln gefressen hat.
- Ich glaube, dass ich mir in den vielen Jahren, die ich mich jetzt schon mit Fotografie befasse, eine gewisse eigene Bildsprache erarbeitet und angeeignet habe. Wie viel davon ein Außenstehender überhaupt wahrnimmt, das kann ich nicht wirklich wissen.
- Diese Bildsprache beruht auf ganz persönlichen Vorlieben, zu denen ich eben einen besonderen Bezug habe. Nicht mehr und nicht weniger. Es kann also durchaus sein, dass genau das, was mich begeistert, einen Anderen gar nicht anspricht.
- Mein Ziel ist es nicht so zu fotografieren, dass ich möglichst Lob und Anerkennung bekomme. Die Fotografie ist nicht mein Lebensunterhalt. Ich bin also vollkommen frei, was ich auch sehr genieße.
- Von Picasso stammt angeblich das Zitat: "Was auch immer sie in meinen Bildern sehen, ich bin sicher, genau so hab ich es gemeint." Dem kann ich mich nur anschließen.
Einige Beispiele
Ich habe ein paar Arbeiten ausgesucht, die ich mir immer wieder gerne ansehe. Erwarten Sie bitte keine "Erklärung" dieser Bilder. Es gibt nichts zu erklären.
Schroffe Berge
Die drei Zinnen in den Dolomiten sind schon so oft und von so vielen Menschen fotografiert worden: Warum also auch noch von mir?
Ich bin kein Bergsteiger. Dazu wäre ich viel zu ungeschickt. Mein Blick auf die Berge erfolgt deshalb meistens aus der Distanz. Das Gefühl, sich einen Gipfel unter erheblicher körperlicher Anstrengung zu "erobern", kenne ich selber also gar nicht. Mein Blick auf einen Berg wäre vermutlich ein anderer, wenn ich selber rauf gestiegen wäre. Vielleicht würde ich ihn dann auch anders fotografisch darstellen - das weiß ich nicht.
Mit Blick meine ich nicht das, was (mit oder ohne Fernglas) mein Auge erreicht, sondern ich meine die Stimmung, die Emotionen, die Gedanken, die das auslöst. Mein Wunsch ist es, davon etwas fotografisch einzufangen, es also möglichst wirkungsvoll umzusetzen.
Meine Arbeitsweise
Es geht mir nicht darum alles so "unverfälscht und unberührt" wie möglich abzubilden. Eher im Gegenteil sogar: Ich möchte eine Wirkung erreichen, die das, was ich im Moment des Fotografierens empfunden habe, wiedergibt. Ich retuschiere oder montiere keine Bilder, aber ich verwende Techniken, mit denen ich eine Bildwirkung erreichen kann, die das, was ich empfunden habe, besonders herausheben kann. Auch wenn man es dem Drei-Zinnen-Bild wahrscheinlich ansieht: Es ist aufgenommen mit meiner für Infrarot-Fotografie technisch modifizierten Kamera. Ich habe mich hier für die Verwendung dieser Kamera deshalb entschieden, weil im Spektralbereich des nahen Infrarot atmosphärischer Dunst fast vollständig verschwindet. Man erreicht eine Lichtstimmung, die man im sichtbaren Licht nur an wenigen Tagen des Jahres antrifft (bei ausgeprägter Föhn-Wetterlage nämlich).
Der fehlende Dunst, man könnte auch sagen die übertriebene Klarheit, gibt Landschaftsbildern oft etwas unwirklich Erscheinendes. Er macht das Bild zu einem Hingucker - eine Wirkung, die ich gerne nutze, denn oft geht es ja darum, dass ich angesichts der enormen Flut an Bildern erst einmal die Aufmerksamkeit des Betrachters gewinnen möchte.
Ich achte auch immer darauf, wie viel räumliche Tiefe ein Bild hat. Das ist kein absolutes Muss (auch ein sehr flaches Bild kann wirkungsvoll sein, wenn es zum Motiv passt), aber ich mag diese Wirkung einfach. Fotografischen Bildern fehlt die dritte Dimension. Deshalb bemühe ich mich auf eine andere Art den Eindruck räumlicher Tiefe zu erzeugen. Beim Bild von den Drei Zinnen gelingt das durch die perspektivische Wirkung der diagonal nach hinten laufenden Bergkette.
Col d'Agnel
Der Col d'Agnel ist ein wenig bekannter, aber eindrucksvoller Grenzpass zwischen Frankreich und Italien. Interessant ist der oft ausgeprägte Wetterwechsel: kaum Wolken auf der französischen Seite und dicke Suppe auf der italienischen Seite fast bis auf den Passübergang hinauf. Beim hier gezeigten Bild hatte ich mehr Glück. Die geschlossene Wolkendecke lag an dem Tag nur bis ungefähr 2500 Meter herauf.
Ich mag dieses Bild sehr, weil es für mich perfekt die Stimmung wiedergibt, die ich dort oben auf der Passhöhe empfunden habe. Mir ist klar, dass dazu etwas Erlebtes gehört, das nur ich mit dieser Stimmung verbinde: die lange Fahrt bis hinauf auf 2744 m Höhe mit meinem 50 Jahre alten Wohnmobil, die Einsamkeit in dieser Gebirgsgegend und noch Einiges mehr. Wer nicht dabei war und diesen Ort nicht kenne, der kann kaum die gleichen Erinnerungen und Assoziationen haben. Man kann sagen, das ist doch selbstverständlich und banal. Tatsächlich wird das aber oft ausgeblendet und übersehen. Bilder sieht jeder Betrachter anders. Warum ist das so? Weil manche Bilder auf irgendeine Art etwas in mir ansprechen und andere Bilder nicht. Interessant dabei finde ich, dass ich manchmal gar nicht spontan sagen kann, was das ist.
Das vom Col d'Agnel aus aufgenommene Bild hat für mich etwas Geheimnisvolles. Ich war gespannt, was mich dieses mal auf der italienischen Seite erwarten würde. Dann bot sich mir diese Szenerie: Blick von oben auf die geschlossene Wolkendecke über dem Varaita-Tal.
Porträt und Akt
Das sind Themen, die mich schon sehr lange interessieren. Ganz am Anfang meiner Fotografierzeit habe ich meistens "aus dem Hinterhalt" fotografiert. Nicht so sehr deshalb, weil ich mich sonst nicht getraut hätte, sondern damals war mir der Gedanke noch fremd, dass man ja auch Aufnahmen planen und inszenieren kann. Heute ist das längst umgekehrt: Ich habe eine ungefähre Idee, wie die Bilder aussehen sollen, und gemeinsam mit dem Mensch vor der Kamera taste ich mich an diese Idee heran und erarbeite das endgütige Bild.
Bei solchen Aufnahmen wäre es eigentlich naheliegend im Studio zu fotografieren. Das ist für mich aber schon seit längerer Zeit ein absolutes "No-Go". Warum? Weil ich einfach zu faul bin mir erst mühsam etwas aufzubauen, das meistens doch mehr oder weniger künstlich wirkt. Und zu allem Überfluss muss das dann auch noch wieder weggeräumt werden…
Ich finde, dass es in der "realen Welt" außerhalb des Studios so viel gibt, das als unaufdringlicher Hintergrund, den ich eh meistens in Unschärfe verschwimmen lasse (weit offene Blende), bestens geeignet ist. Wozu dann also im Studio künstlich ein Umfeld basteln? Ich brauche das nicht.
Ja aber das Licht!
Das mag vielleicht früher noch ein gewisses Problem gewesen sein, ist aber mit lichtstarken Objektiven an modernen Digitalkameras wirklich kein Thema mehr. Es stimmt schon, dass man im Studio mit einer professionellen Beleuchtungsanlage enorm vielseitige Möglichkeiten hat, und ich will das auch gar niemandem madig machen. Ich hatte vor vielen Jahren selber ein Studio und war zuerst davon begeistert. Nach und nach hatte ich mich aber daran "satt gespielt" und es verlor allmählich seinen Reiz. Stattdessen interessierte mich recht spärliches Licht immer mehr.
Resümee
Das waren nur drei Beispiele, an denen ich zeigen wollte welche Überlegungen ich angestellt habe und warum ich die Bilder so und nicht anders gestaltet habe. Ich halte nichts davon sich an irgendwelche vorgegebene Regeln zu halten. Es kann zwar schon Sinn machen ganz gezielt mal an eine Vorgabe zu halten (Goldener Schnitt zum Beispiel), um deren Wirkung besser kennenzulernen und bei Bedarf entsprechend einzusetzen, aber ich sehe so etwas eher als eine Art "Fingerübung" an, mit der ich meine Möglichkeiten nach und nach erweitern kann.
Ich spiele gerne und oft Schach. Ab und zu schaue ich mir nach einer Partie auch die Partieanalyse an. Ich mache das aber nicht systematisch nach jeder Partie mit dem Ziel "so schnell wie möglich besser werden" zu wollen. Ich betreibe Schach nicht als Leistungssport, sondern es macht mir einfach Spass mit immer neuen Gegnern aus der ganzen Welt in Echtzeit online spielen zu können. Natürlich lernt man dabei auch dazu. Das ist für mich ein angenehmer Nebeneffekt aber nicht der Sinn des Spielens. Ganz ähnlich betreibe ich die Fotografie auch.