Available Light (1)

Die passende Ausrüstung

Eine besondere Art der Fotografie

Fotografieren bei schwachem vorhandenem Licht finde ich ganz besonders reizvoll. Kameras der aktuellen Generation bieten nämlich dafür Möglichkeiten, von denen man vor 10 Jahren und länger nur hätte träumen können. Ich möchte in diesem Beitrag zeigen was das bedeutet - und vielleicht auch bei Ihnen das Interesse an dieser spannenden Art von Fotografie wecken.

Ich staune immer wieder, wenn von den "Profis" sogar bei strahlendem Sonnenschein eine umso größere Batterie an zusätzlichen Lichtquellen aufgefahren wird. Man hat vielleicht ein viel zu hartes und deshalb ziemlich ungeeignetes natürliches Licht, das man jetzt erst mal entsprechend beeinflussen oder sogar "bekämpfen" muss. Reflektoren sind da noch das harmloseste Werkzeug. Meistens werden mobile Blitzanlagen eingesetzt. Und das geschieht viel zu oft auch dann, wenn es überhaupt nicht nötig wäre. Aber jetzt hat man den teuren Lampenpark schon mal, dann will man ihn natürlich auch zeigen...

In der Studiofotografie baut sich der Fotograf seine gewünschte Lichtstimmung selber auf, weil meistens in einem Innenraum ohne Tageslicht gearbeitet wird und deshalb eh nur künstliches Licht als Möglichkeit bleibt. Draußen sieht das aber anders aus: Wer nicht grad in den unbeleuchteten Gewölbekeller oder eine Höhle runter steigt, der wird fast immer und zu jeder Zeit irgendeine vorhandene Beleuchtung vorfinden, die oft ein charakteristisches Merkmal des Ortes um diese Tageszeit ist. Warum sollte man die also mit aller Gewalt entfernen oder überdecken wollen?

Die Kamera

Fast alle modernen Kameras verfügen heute über einen Bildsensor, der mit erstaunlich wenig Licht auskommt ohne störendes Rauschen zu produzieren. Mit Kamera meine ich keine Handycams. Auch die sind besser geworden, aber darauf will ich hier nicht eingehen. Ich beziehe mich auf Kameras ab Sensorgröße Four-Thirds aufwärts (also 17,3 x 13 mm und größer). Wer diese Eigenschaft sinnvoll nutzen möchte, sollte die schönen Möglichkeiten nicht durch die Wahl ungeeigneten Zubehörs zunichtemachen.

Mit oder ohne Spiegel?

Es ist noch nicht lange her, da war es gar keine Frage, dass eine halbwegs professionelle Kamera selbstverständlich nur eine Spiegelreflexkamera sein konnte. Der Blick direkt durchs Objektiv galt als das Non-Plus-Ultra. Das hat sich aber inzwischen geändert. In der Digitalfotografie ist der Blick durch das Objektiv nämlich auch ohne den überflüssigen Umweg über Spiegel und Prisma möglich. Noch vor wenigen Jahren war die Qualität elektronischer Sucher noch nicht berauschend und konnte mit dem normalen Sucherbild nicht konkurrieren. Das ist aber heute nicht mehr der Fall. Der elektronische Sucher meiner Fuji X-H1 beispielsweise lässt keine Wünsche offen. Hohe Auflösung, angenehmes Sucherbild, ausreichende Helligkeit auch bei Sonne und kein Ruckeln bei schnellen Kamerabewegungen lassen mich total vergessen, dass ich ein elektronisches Sucherbild sehe. Deshalb halte ich persönlich spiegellose Kameras mit gutem elektronischen Sucher heute für die eindeutig bessere Wahl, wenn man sich was Neues zulegen möchte.

Das Objektiv

Zoom-Objektiv oder Festbrennweite?

Ein Objektiv, an dem man die Brennweite verstellen kann, ist eine bequeme Sache, hat für Available Light aber einen entscheidenden Nachteil: Konstruktionsbedingt haben Zoom-Objektive keine so weit öffnende Blende wie eine vergleichbare Festbrennweite (ihre Lichtstärke ist schlechter).

Mir ist es wichtig, dass ich so weit wie irgendwie nur machbar auf ein Stativ verzichten kann. Ein Stativ ist nicht nur lästiger Ballast beim Tragen, sondern es macht einen beim Fotografieren einfach störend unflexibel - man ist "angebunden"!

Natürlich gibt es keine feste Grenze für die wünschenswerte Lichtstärke. Ich empfinde einen Blendenwert von 2,0 noch als recht brauchar. Über Blende 2,8 würde ich aber nicht gerne raus gehen.

Es gibt Zoom-Objektive mit einer durchgehenden Lichtstärke von 2,8. Die sind allerdings konstruktionsbedingt fast immer "ganz schöne Brocken", also groß und schwer - und teuer sind sie auch. Bei Fuji habe ich mal kurzzeitig mit dem 2,8/16-55 mm geliebäugelt. Qualitativ gibt's nix zu meckern, aber mir war es deutlich zu klobig und ich konnte mich damit nicht anfreunden.

Ich habe eine stattlche Sammlung sehr lichtstarker Festbrennweiten und habe das noch nie bereut. Eine einzige Blendenstufe mehr an Lichtstärke bedeutet immerhin die Halbierung der nötigen ISO-Einstellung. Ein Beispiel: Wo ich mit Blende 2,8 ISO 3200 brauche würde mir mit Blende 1,4 (2 Stufen weiter offen!) ISO 800 genügen bei gleicher Belichtungszeit.

Bildstabilisator

Ein Bildstabilisator, der Verwackeln bei Freihand-Aufnahmen stark reduzieren kann, ist eine feine Sache. Allerdings sollte man dafür schon ein bisschen sein Hirn einschalten: Natürlich kann der Bildstabilisator keine wild bewegten Objekte still halten (Mitzieh-Effekt kann in Grenzen unterstützt werden). Seine Wirkung kann sich sinnvoll vor allem auf das Wackeln oder Zittern des Fotografen beschränken. Man profitiert also vor allem für recht lange Belichtungszeiten unbewegter oder nur langsam bewegter Motive. Landschafts- oder Architekturaufnahmen sind hervorragende "Stabi-Motive". Porträts teilweise auch, wenn die fotografierte Person nicht gerade wild gestikuliert. Ein quer durchs Bild strampelnder Radler wird aber mit und ohne Stabilisator gleichermaßen kurze Belichtungszeiten brauchen, wenn er samt Hintergrund scharf abgebildet werden soll.

Es gibt zwei unterschiedliche Ausführungen des Bildstabilisators: integriert in das Objektiv oder fest eingebaut direkt ins Kameragehäuse (IBIS = In Body Integrated Stabilizer). Der eine Hersteller macht es so, der nächste eben anders. Und längst nicht jedes Objektiv gibt es mit Stabilisator. Fuji hat nur ein Kameramodell mit IBIS im Programm (die X-H1). Für mich war das entscheidende Argument um auf diese Kamera zu wechseln, dass ich jetzt mit einem Schlag alle schönen lichtstarken Festbrennweiten mit Bildstabilisation nutzen kann. Das erweitert für meine Art von Fotografie den Einsatzbereich doch ganz erheblich.

Ein Stativ?

Das kommt darauf an, was Ihre bevorzugten Wenig-Licht-Motive sind. Natürlich kann man interessante Effekte erzielen mit sehr langen Belichtungszeiten (oft zu sehen bei fließendem Wasser):

Wasser
Langzeit-Belichtung

Es versteht sich von selbst, dass für solche Aufnahmen die Kamera still stehen muss und ein Stativ dabei natürlich fast unentbehrlich ist (es sei denn, man findet zufällig in passendem Abstand eine geeignete stabile Unterlage).

Solche Motive sind aber nicht das, was ich unter Available Light verstehe. Tatsächlich habe ich schon seit Jahren nie mehr ein Stativ dabei (für die paar Mal, wo es vielleicht doch nützlich gewesen wäre, bin ich einfach zu faul dazu den sperrigen Ballast die meiste Zeit unnötig spazieren zu tragen), und einen Blitz so wie so nicht, weil ich es frevelhaft finde, wenn man das vorhandene Licht mit so etwas verunstaltet.

Dresdener Hauptbahnhof
Dresdener Hauptbahnhof nachts: ein klassisches Available Light Foto

Auch mitten in der Nacht lasse ich die Kamera nicht daheim. In Städten gibt es viele kleine Szenen am Rande, die einen genaueren Blick lohnen. Aber auch hier gilt: Wer erst mit Stativ rumhantieren muss, ist viel zu unflexibel und verpasst die Hälfte. Und alle bewegten Objekte würden dabei natürlich mehr oder weniger stark verwischt.

Zusammenfassung

Wie so oft gibt es keine messerscharfe Grenze: das hier ist geeignet, das aber nicht. Wer den Reiz der Fotografie bei wenig Licht auskosten will, der wird natürlich mit einem Zoom, das z.B. erst bei Blende 4 beginnt, recht bald an seine Grenzen stoßen. Natürlich kann man mit Stativ und entsprechend langen Belichtungszeiten arbeiten, aber viele interessante Available-Light-Motive werden einem dabei entgehen. Wenn Sie in dieses Gebiet näher einsteigen wollen, sollten Sie möglichst bald über die Anschaffung eines Festbrennweiten-Objektivs mit einer Blendenöffnung von mindestens 2,0 nachdenken. Sie werden überrascht sein, wie stark sich die Möglichkeiten dadurch erweitern.

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