Lebendigere Portraits leicht gemacht

Viele Fotoamateure meiden inszenierte Portraits wie der Teufel das Weihwasser, weil das „ja immer so künstlich“ wirken würde. Stattdessen gehen sie auf Portrait-Jagd mit Tele aus der Ferne, fast wie sich ein Tier-Fotograf im Gebüsch versteckt und geduldig auf seine Foto-Beute wartet.

Ich möchte ein paar simple Tips geben, wie man das Künstliche vermeiden kann.

Den Präsentierteller-Effekt vermeiden

Portraitaufnahmen im Studio sind mit nicht kamera-gewohnten Menschen viel schwieriger als Fotos in einer „echten“ Umgebung – was auch immer für eine Umgebung das sein mag. Das liegt daran, daß im Studio schon durch den ganzen Aufbau der Mensch vor der Kamera gnadenlos auf den Präsentierteller gehoben wird: leerer Raum rundum, das Licht auf ihn gerichtet, der Fotograf aus dem Halbdunkel agierend – alles zusammen eine Atmosphäre, die von den meisten „normalen“ Menschen als hochgradig unangenehm empfunden wird, was man dem Gesichtsausdruck und der Körperhaltung auf den Bildern auch ansieht.

Kommunikation und Interaktion

Der Fotograf soll sich nicht hinter seiner Kamera verstecken. Fotografisches Dauerfeuer ist das Schlechteste, was man tun kann. Zeit lassen. Die Kamera immer wieder weg vom Gesicht. Blickkontakt herstellen. Und vor allem Feedback geben, was gut kommt und was eher nicht so sehr.

Ich finde, ideal ist eine wachsame, aber lockere Regie. Auf keinen Fall aber den Mensch vor der Kamera wie eine Puppe behandeln. Aber auch unbedingt jede Hektik vermeiden, denn wer sich unsicher fühlt, neigt dazu. In dem Fall ruhig etwas bremsen.

Der Fotograf sollte aufmerksame Gelassenheit ausstrahlen.

Auf jede überflüssige Technik verzichten

Meine Erfahrung ist, daß ein unerfahrenes, verkrampftes Modell am leichtesten locker und natürlich wird, wenn man mit vorhandenem Licht arbeitet (also kein Blitz und möglichst auch keine Aufheller – siehe Präsentierteller-Effekt) und alles so unspektakulär vor sich geht wie nur möglich.

„Gutmütiges“ Licht

Ein extrem weiches Licht führt leicht zu langweiligen, soßig wirkenden Bildern. Unbedingt vermeiden sollte der Fotograf aber direktes Sonnenlicht (Schlagschatten, zusammen gekniffene Augen usw.). Als schräges Gegenlicht ist es eventuell brauchbar, aber trotzdem mit Vorsicht zu genießen.

Ein „gutmütiges“ Licht, wie ich es meine, sieht man z.B. in dem Bild oben.

Abstand halten!

Bei einem Mensch, der nicht gewohnt ist eine Kamera auf sich gerichtet zu spüren, sollte man unbedingt seine persönliche Fluchtdistanz respektieren. Der Fotograf achte deshalb sehr bewußt darauf, wann er seinem Modell auf die Pelle zu rücken beginnt und bremse sich! Eine leichte bis mittlere Tele-Brennweite ist ideal (nicht nur aus perspektivischen Gründen).

2 Gedanken zu „Lebendigere Portraits leicht gemacht“

  1. Hallo, finde diese Grundtipps sehr brauchbar. Du schreibst „gutmütiges Licht“ – ich finde das Foto eben wegen der gleichmäßigen Ausleuchtung gut. Was ist dann der Unterschied zwischen gutmütig und soßig? Sonst weiter so, der Blog sieht sehr harmonisch aus. LG Fred

  2. Hallo Fred,

    mit „gutmütig“ meine ich, daß das Modell Bewegungsspielraum hat, ohne daß man befürchten muß, daß gleich durch eine winzige Drehung des Kopf oder durch einen halben Schritt zur Seite ein störender Schatten entsteht. Ein aufmerksamer Fotograf sieht das zwar sofort, aber für ein unerfahrenes Modell kann das verunsichernd sein, immer gleich „neu dirigiert“ zu werden. Das kommt dann unter Umständen so an: Mensch, schon wieder hab ich was falsch gemacht! Ein erfahrenes Modell kriegt das aber nicht gleich in den falschen Hals sondern erkennt selber, daß es einfach schwierige Lichtbedingungen sind, die der Fotograf richtig einschätzen muß.

    Mit „nicht soßig“ meine ich, daß das Licht genug Kontrast übrig läßt, um Detailzeichnung im Gesicht zu bringen. Außerdem sieht man bei genauerem Hingucken, daß auf der vom Fotograf aus gesehen linken Seite anscheinend eine großflächige Lichtquelle war (dort war ein großes Fenster ohne direkten Sonneneinfall). Man erkennt das z.B. an dem leicht bläulichen Lichthauch auf den Haaren.

    Typisch „soßiges“ Licht bekommt man, wenn man im direkten Gegenlicht fotografiert. Dort würde dann ein leichter Aufhellblitz helfen – aber blitzen wollte ich ja nicht.

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