Infrarot-Fotografie SW oder farbig:
Was wählen Sie?
Das sollten Sie bedenken
Durch die gezielte Wahl des verwendeten Filters kann der Fotograf selbst entscheiden, ob er IR ganz klassich als reines Schwarzweiß fotografieren will oder noch einen mehr oder weniger großen Anteil sichtbaren Lichts (und damit Farbe) dazu geben möchte. Bei Farb-IR wird meistens der so genannte Kanaltausch angewandt, um die Farben dem anzunähern, was wir aus dem sichtbaren Licht kennen. Die Wahl der Ausarbeitung ist aber rein willkürlich. Das eine Bild ist nicht "echter" als das andere, denn Licht mit Wellenlängen größer ungefähr 750 nm ist ohne die Verwendung einer Digitalkamera für unser Auge nun mal so oder so nicht sichtbar.
Die umgebaute Kamera
Wer die Infrarot-Fotografie nicht mit einem gewaltigen Klotz am Bein betreiben will, der kommt nich drum rum eine Kamera technisch für IR modifizieren zu lassen. Diese Modifikation besteht vor allem darin, dass man den Sperrfilter vor dem Bildsensor entfernen lässt. Wenn an seiner Stelle nur ein Klarglas eingesetzt wird, ergibt das eine so genannt undefiniert umgebaute Kamera. Ihren Sensor erreicht jetzt Licht mit Wellenlängen von UV bis IR, genauer gesagt von ungefähr 380 nm bis mindestens 1100 nm.
Ob man sich für einen solchen undefinierten Umbau entscheidet oder doch lieber gleich eine IR-Kamera draus machen lässt (definierter Umbau durch entsprechenden Filter direkt vor dem Bildsensor) kann jeder selber entscheiden. Detaillierte Informationen und Argumente für und wider finden Sie in meinem Buch.
Die spiegellosen Kameras
Grundsätzlich lässt sich fast jede Digitalkamera ab Micro-Four-Thirds-Größe aufwärts für IR umbauen, also sowohl spiegellose wie auch klassische DSLR-Kameras. Ich bevorzuge die spiegellosen Kameras, weil sich dabei einige lästige Probleme wie z.B. die Fokusdifferenz erst gar nicht stellen. Und wenn man dann noch eine Spiegellose mit einem vernünftigen elektronischen Sucher nimmt, sieht man ganz entspannt ohne störenden Lichteinfall gleich das IR-Bild im Sucher. Eine feine Sache, finde ich!
Meine Kamera ist eine Fuji X-Pro1, die ich habe fest auf 630 nm umbauen lassen. Das gibt recht farbkräftige Bilder, weil ja noch mehr als 100 nm Wellenlänge sichtbares Licht beim Sensor ankommen. Wie das dann aussieht, das hängt weitgehend von der Art der Ausarbeitung ab und worauf man den Weißabgleich legt. Beim Bild hier wurde der Neutralwert auf den Schotterweg gelegt und anschließend noch Kanaltausch durchgeführt.
Warum ich mich ausgerechnet für diesen Umbau entschieden habe? Ehrlich gesagt hauptsächlich deshalb, weil ich mich nicht richtig entscheiden konnte! Ich wusste schon, dass ich wahrscheinlich nur selten diese IR-Variante werde haben wollen (sie ist mir einfach oft zu "kitschig"), aber ich wollte wenigstens die Möglichkeit dazu noch haben.
Mit einer spiegellosen Kamera ist das leicht zu erreichen: Meine Kamera ist jetzt zwar zunächst fest auf 630 nm umgebaut, aber es spricht nichts dagegen, dass ich vor die Frontlinse zum Beispiel noch einen Hoya 715 nm Filter setze. Und schon erhalte ich IR-Bilder wie mit einer 715-nm-Kamera. Das würde zwar bei einer DSLR auch gehen, aber dort würde man das Sucherbild verlieren, weil der 715-nm-Filter vor der Frontlinse ja nahezu schwarz ist im sichtbaren Licht. Einer spiegellosen Kamera mit elektronischem Sucher ist das aber völlig egal. Mit LiveView kann zwar auch bei der DSLR das Display auf der Kamerarückseite als Sucher verwendet werden, aber für mich wäre das nicht begeisternd: Erstens bin ich kein Freihand-Fotograf à la Handy, und zweitens sieht man bei Einfall von Sonnenlicht einfach zu wenig, finde ich.
Farbe oder Schwarzweiß?
Natürlich ist das Geschmackssache und jedem Fotograf selber überlassen. Ich möchte aber ein paar Überlegungen dazu anstellen.
Gar keine Frage: Man kann schöne Farbspielereien ausprobieren und Ergebnisse erzielen, die für einen Hingucker allemal gut sind. Oft stelle ich aber fest, dass auf dem Bild nach all den Bearbeitungen gar nicht mehr sehr viel von Infrarot zu sehen ist. Wer es nicht weiß und sich noch nie mit IR beschäftigt hat, der wird wahrscheinlich vermuten, dass es eine normale Farbaufnahme ist die eben "noch irgendwie trickreich bearbeitet" wurde. Und wenn es dann sogar ein Motiv ist, das kein Blattgrün enthält mit dem plakativen Wood-Effekt, dann wird's gar nicht mehr als IR erkannt.
Schlimm ist das natürlich nicht so lange das Bild den eigenen Erwartungen und Ansprüchen genügt. Aber ob das wirklich immer eine so gute Idee ist, die menschlichen Sehgewohnheiten nachzuahmen, dass der Himmel blau zu sein hat und Wasser natürlich auch? Ich find's ein bisschen langweilig. Schließlich ist IR doch die Fotografie, die mit dem fürs menschliche Auge Unsichtbaren arbeitet.
Meine Empfehlung
- Für Farb-Infrarot wird standardmäßig der Kanaltausch als wichtiger Schritt empfohlen. Es ist zweifellos die einfachste Methode, um eine Bildwirkung zu erhalten, die dem gewohnten Himmelsblau mit weißen Wolken entspricht. Legen Sie sich darauf aber nicht fest, sondern verwenden Sie auch ganz andere Ansätze, die IR erst seine Vielfalt geben. An Effekten, die in Richtung "bunte Farbenschachtel" gehen, sieht man sich aber bald satt.
Betrachten Sie jedes einzelne Bild kritisch und überlegen Sie, welche Aufgabe hier Farbe haben kann. Wenn es nur uwichtiges Beiwerk ist, sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken, ob der Verzicht auf Farbe hier nicht die bessere Lösung ist.
Ich mag Landschaftsaufnahmen an trüben Tagen für Infrarot gerne, denn es gibt eine interessante Stimmung. Der Wood-Effekt bei Sonne ist mir oft zu stark, er erschlägt dann das Bild fast. Bei bedecktem Himmel ist nicht mehr jeder Baum so schneeweiß strahlend, sondern Unterschiede werden besser sichtbar.
Ich finde auch, dass viele IR-Bilder in SW etwas Geheimnisvolleres, manchmal fast Erhabenes bekommen. Hier beispielsweise ein Panorama vom Col d'Agnel mit Blick aufs Varaita-Tal vom vorigen September.
Fragen Sie nicht nach richtig oder falsch
Lösen Sie sich gerade in der Infrarot-Fotografie von der fixen Idee, dass jedes Bild nur auf eine ganz bestimmte Weise "richtig" ausgearbeitet ist. Das ist Unfug, denn Sie arbeiten hier schließlich mit Licht, das für uns Menschen zunächst völlig unsichtbar ist und erst durch die Digitalkamera und die von Ihnen gewählte Ausarbeitung sichtbar gemacht wird.
Ich höre immer wieder das Argument, dass das Bild so, wie es aus der Kamera kommt, doch das "echteste, am wenigsten verfälschte" sei. Dabei wird aber übersehen, dass ja schon der Umbau der Kamera ein ganz wesentlicher Eingriff war und die Kamera eben je nach verbautem Filter sehr verschiedene Resultate liefert.