Undefinierter Kamera-Umbau

Erfahrungsbericht von 2011

Darum geht es hier:

Ich habe im Jahr 2011 Erfahrungen mit einer undefiniert umgebauten Kamera machen können. Das war damals eine Nikon D300, also klassisch digitale Spiegelreflex. Es gab bei dieser Kamera die Möglichkeit »LiveView«, also das Display auf der Kamera-Rückseite als Sucher zu nutzen. Wirklich komfortabel war das aber noch nicht. Meine Erfahrungen von 2011 nehmen also auf die damaligen Gegebenheiten Bezug. Den heutigen technischen Möglichkeiten entspricht das nicht mehr. Ich habe den Beitrag aber ganz bewusst hier beibehalten, um zu zeigen, wie viel sich inzwischen getan hat und um wie viel digitale IR einfacher und benutzerfreundlicher geworden ist.

Die neue Vielfalt an Möglichkeiten macht einfach Spaß und verlockt zum Experimentieren, auch bei der Bildbearbeitung: Hier die Wallfahrtskirche Maria Lankowitz in der Steiermark, 630 nm Filter, Farbton nach grün verschoben und das Bild mit einer zweiten Ausarbeitung ("nostalgischer" Duplex) überblendet.

Nachdem ich über drei Jahre Infrarotfotografie mit einer fest umgebauten Kamera betrieben habe (zuerst mit 830 nm Filter, dann bei der nächsten Kamera mit 700 nm Filter), war der Wechsel auf die "offene" (also undefiniert umgebaute) D300 erst mal etwas gewöhnungsbedürftig: für normale Fotografie ein blassgrüner Filter vor der Frontlinse und das Sucherbild wie gewohnt im optischen Sucher, für Infrarotfotografie Verwendung von Schwarzfiltern und das im Sucher verloren gegangene Bilder jetzt auf dem Display der Kamera.

Vertraut werden mit LiveView

Ich hatte LiveView - also das Display als Sucher, wie das bei Kompaktkameras ja selbstverständlich ist - bisher nie benutzt (wozu auch schon?). Erste Feststellung: Eine Spiegelreflexkamera mit mittelschwerem Objektiv dran mit halb ausgestreckten Armen freihändig zu halten ist kein bisschen benutzerfreundlich, um nicht zu sagen furchtbar. Ich wackle herum wie blöd und gebe der Kamera jedes Mal einen zusätzlichen Schubs beim Durchdrücken des Auslösers. Kommt noch dazu, dass ich weitsichtig bin und auch mit Brille einen etwas größeren Abstand brauche.

Fast wie früher...

Bei meiner heiß geliebten Mamiya RB67 Mittelformatkamera war das auch so: Nach jeder Aufnahme blieb der Sucher dunkel. Es musste erst neu gespannt und der Spiegel neu in Position gebracht werden. Das stört mich auch jetzt an der D300 nicht wirklich, weil ich mit Infrarot ja nicht gerade superschnelle Aufnahmen machen will. Störrischer empfinde ich da schon den Umgang mit dem Autofokus bei meiner Kamera mit LiveView. Es geht an meiner Kamera nicht unbemerkt und unaufdringlich für den Fotograf, aber ich merke doch, daran kann ich mich gewöhnen - also nicht schlimm.

Blindflug

Meine ersten Versuche hatte ich in der Wohnung gemacht, so dass mir ein viel größeres Problem noch nicht so aufgefallen war: Draußen bei Sonne sehe ich so gut wie nichts! Jedenfalls viel zu wenig, um auch nur halbwegs den Bildaufbau beurteilen zu können. Entweder fällt direktes Sonnenlicht auf das Display (mit dem Effekt, den man von jedem Notebook-Monitor kennt: die Sonne siegt), oder ich selber spiegele mich in der hochglänzenden Oberfläche. So kann ich nicht arbeiten!

Der 830 nm Filter bringt selbst feinste Schleierwolken wunderbar zur Geltung. Die hier waren mit bloßem Auge nur zu erahnen.

Suche nach Abhilfe

Mein erster Gedanke ist eine Ant-Reflex-Folie für das Display. Bringt ein kleines bisschen was, löst das Problem aber bei weitem nicht. Ich lege mir deshalb so eine Art Lichtschacht zu, den es für das Display zu kaufen gibt. Die Handhabung ist wesentlich umständlicher als früher bei meiner RB67. Das würde ja noch gehen, denke ich. Unbrauchbar wird es aber dadurch, dass dieses Ding auch eine weitere (selbstverständlich hochglänzende...) Oberfläche hat, so dass wieder nur mein eigenes Gesicht zu sehen ist, das das eigentlich interessante Bild weitgehend überdeckt.

Wer also einen gaaaanz tollen Klapp-Lichtschacht haben möchte, kann das Ding von mir geschenkt haben, muss es aber selber abholen.

Endlich die Lösung

Nachdem ich schon ziemlich genervt war und ernsthaft überlegt hab, ob ich vielleicht doch mit Tüchlein überm Kopf fotografieren muss (wie früher mit meiner Sinar), kam dann doch noch die Wende: Digifinder heißt das Ding. Auf den ersten Blick hab ich's nicht ernst genommen (aus Plastik und federleicht), aber das war ein Vorurteil. Ich bin inzwischen total begeistert davon, weil damit natürlich störender Lichteinfall auf dem Display überhaupt kein Thema mehr ist. Und der Digifinder ist durchdacht: Mit einem einzigen Handgriff ist es drauf oder wieder ab zu machen (schneller als das Auf- und Zu-Klappen mit diesem komischen Pseudo-Lichtschacht ging), vergößert das Bild auf dem Display um den Faktor 2 und hat sogar eine einstellbare Dioptrienkorrektur.

Die D300 mit angesetztem Digifinder

Mindestens genau so nützlich finde ich aber, dass durch diese Verlängerung das Handling der Kamera wesentlich ruhiger wird. Man stützt die Kamera beim Einblick in den Sucher unbemerkt zusätzlich ab. Das unangenehme freihändige Rum-Ge-Eiere (wackel, wackel, wackel...) ist verschwunden. Ich halte die Kamera jetzt ungefähr so wie früher die Mittelformatkamera mit aufgesetztem Prismensucher. Und wenn ich dran denke, was für ein schwerer Glasbrocken das war, bin ich gar nicht mehr böse drüber, dass ein bisschen Plastik heute den Zweck auch erfüllt...

Erfahrungen mit Autofokus und LiveView

Ein paar kleine Wermutströpfchen gibt es da bei meiner Kamera schon noch. Der Freihand-AF bei LiveView kann bei meiner Kamera mit dem bei normaler Fotografie ohne LiveView nicht mithalten. Deswegen verwende ich bei LiveView mit IR auch für Freihand-Aufnahmen nur den Modus, der eigentlich für Fotografie vom Stativ gedacht ist. Damit erhalte ich tadellos fokussierte Bilder. An das Handling muss man sich etwas gewöhnen: Den Bereich anpeilen, auf den man scharf stellen möchte; den AF-Knopf drücken und festhalten, bis erfolgreiches Fokussieren angezeigt wird (dauert bei meiner Kamera 1-2 Sekunden); dann auslösen.

Das liest sich jetzt sicher sehr umständlich, stört aber in der Praxis kaum, weil man sich für IR-Aufnahmen ja sowieso etwas mehr Zeit lässt. Außerdem muss ja nicht für jeden einzelnen Schuss neu fokussiert werden. Belichtungsreihen sind also kein Problem.

Probieren, immer weiter probieren: Sogar ganz ohne Filter ergeben sich interessante Stimmungen. Die Kamera ist dann von unter 400 bis über 1100 nm offen. Gute Bilder gelingen aber nur mit Objektiven, die zwischen sichtbarem Licht und IR keine oder nur minimale Fokusdifferenz haben (meist apochromatische Objektive).

Manuell scharf stellen

Wenn man von Hand scharf stellen möchte oder muss, erwartet man bei LiveView plus Digifinder herrlich einfache Bedingungen. Das ist aber leider nicht ganz der Fall. Da ich noch keine Vergleiche zu anderen Kameras habe, kann ich momentan nur zu meiner Kamera was sagen: Wenn ich den Ring für die Scharfstellung drehe, tut sich auch durch den Digifinder trotz 2x Vergrößerung nicht wirklich sooo viel, wie man erwarten würde. Das Bild auf dem Display scheint schon lange vor Erreichen des Schärfepunkts und auch weiter drüber raus scharf zu sein. Dass es das nicht wirklich ist, sieht man bei Kontrolle des fertigen Bilds erstaunlicherweise sofort. Warum das so ist, kann ich momentan noch nicht sagen. Jedenfalls ist das Vorschaubild merklich detailärmer als das fertige Bild auf dem Display.

Ich empfehle deshalb fokussieren von Hand nicht. Man tut wesentlich besser dran, wenn man bei LiveView auf den Stativ-Fokus-Modus schaltet und damit auf Nummer sicher geht. Das Problem tritt aber sowieso erst bei Verwendung von Filtern auf, die das sichtbare Licht weitgehend sperren. Für Bilder wie das hier rechts funktioniert natürlich der AF auch so ganz normal.

Begeisterung

Seit das Problem mit dem spiegelnden Display und der Unbrauchbarkeit bei Sonne gelöst ist, begeistern mich die Möglichkeiten der undefiniert umgebauten Kamera immer mehr. Klar, es ist natürlich keine superschnelle Kamera von der Handhabung her. Mit der fest umgebauten D70 (definierter Umbau auf 700 nm) war ich sicher etwas schneller. Der Unterschied ist aber nicht groß, und ich meine, Infrarot-Fotografie ist ja sowieso etwas, bei dem man sich Zeit lassen und mit Geduld ran gehen sollte.

Noch einmal der 830 nm Filter, der diesen Himmel so schön heraus arbeitet. - Burg Hohenzollern.

Wichtig ist mir, dass ich bei normaler Helligkeit auf jeden Fall ohne Stativ arbeiten kann und auch bewegte Objekte und Personen-Aufnahmen kein Problem sind. Beides ist gegeben. Sehr beeindruckt hat mich auch die durchweg sehr hohe Schärfe. Ich hatte ehrlich gesagt ein bisschen Bedenken, ob eine Kamera mit dem Filter vor der Frontlinse wirklich die selbe Qualität bringt wie Filter direkt vor dem Bildsensor. Das tut sie aber - absolut.

Ich habe mich inzwischen so daran gewöhnt, dass ich meine D70 verkauft habe. Ich hatte eher erwartet, dass ich immer dann, wenn ich gezielt auf IR-Motivjagd gehen will, weiter zur D70 greifen würde, weil ich die einfach so mühelos fand. Tatsächlich lag sie jetzt aber doch nur noch rum, weil es halt auch sehr bequem ist nur noch ein einziges Gehäuse für alle Zwecke rumtragen zu müssen.

Ein Beispiel für den 550 nm Filter darf natürlich auch nicht fehlen. Der Effekt ähnelt dem des früheren Kodakt Ektachrome Infrared Films (auch als Falsch-Farben-Film bezeichnet).

Welche Nachteile gibt es?

Nicht viele. Weil aber die Eier legenden Woll-Milch-Säue noch immer nicht gezüchtet sind, muss man wenigstens ein paar wichtige Randbedingungen beachten:

Wahl der Objektive

Bekanntlich sind nicht alle Objektive gleich gut für IR-Fotografie geeignet. Manche haben einen Hotspot, den auf jedem Bild sorgfältig zu retuschieren keine schöne Lösung ist. Dieses Problem bleibt natürlich auch beim undefinierten Umbau bestehen.

Wichtiger ist aber die Frage nach der Fokus-Differenz. Vor allem Festbrennweiten haben die. Weil bei einer undefinierten Kamera der Autofokus aber auf jeden Fall im sichtbaren Licht tadellos funktionieren soll, kommt natürlich keine feste IR-Korrektur auf ein ganz bestimmtes Objektiv in Frage. Wenn man also bequeme Handhabung haben möchte, beschränkt man sich für IR auf "fokus-differenz-arme" Objektive. Davon gibt es mehr als man denkt. Viele Zoom-Objektive zum Beispiel (vor allem solche mit hoch-brechenden Glassorten, bei Nikon mit ED gekennzeichnet).

Mein Objektiv-Park ist nicht groß, weil ich kein Freund unnötigen Schleppens mehr bin. Ich habe deshalb nur das 24-120 mm VR als Zoom und das 1,8/50 und das 1,8/85 als Festbrennweiten. Mehr nicht. Für Infrarot verwende ich nur das Zoom. Dieses Objektiv braucht überhaupt keine Fokus-Korrektur, was sehr angenehm ist. Das Nikon 18-200 VR, das ich mal ausprobiert habe, ebenfalls nicht.

Man sollte auch bedenken, dass Objektive mit deutlicher Fokus-Differenz für Aufnahmen mit Filtern, die noch mehr sichtbares Licht durch lassen, nur sehr beschränkt geeignet sind. Bei offener Blende ist dann nämlich entweder nur der Anteil des Bilds mit sichtbarem Licht wirklich scharf oder nur der IR-Anteil. Das kann einen schön verträumten Effekt geben, aber man wird ihn kaum auf jedem Bild haben wollen.

Hier noch einmal der kleine Pavillon im Schlosspark Laxenburg (Nähe Wien), wieder mit dem dunkelroten 630 nm Filter. Ich habe hier noch dezent den Imagon-Effekt eingesetzt.

Und heute, im Jahr 2019?

Heute fotografiere ich längst schon mit einer spiegellosen Kamera (Fuji X-Pro1 und eingebautem Filter 630 nm). Die Probleme von 2011 sind für mich Schnee von vorgestern. Ich verwende den elektronischen Sucher und sehe als Sucherbild bereits das IR-Bild. Auch über Probleme wie Fokus-Differenz brauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen, da direkt auf dem Sensor fokussiert wird, also hinter dem IR-Filter.

Nicht verschwunden ist aber das Problem Hotspot, das manche Objektive für IR weitgehend ungeeignet macht. Das ist konstruktiv bedingt und wird sich auch in Zukunft wohl nicht ändern.

Gute Filter gehen ins Geld

Wer mit dem undefinierten Umbau seiner Kamera liebäugelt, kriegt erst mal große Augen, wenn er die Kosten für die Filter zusammen zählt. Wer wirkliche hochwertige Filter will, die die Bildqualität guter Objektive nicht einschränken, bekommt so etwas nun mal nicht für 19,95 Euro das Stück.

Wer Rücksicht auf den Geldbeutel nehmen muss, dem würde ich für den Einstieg für IR die Beschränkung auf 1-2 Filter für ein einziges Objektiv empfehlen. Die Kamera ist dann ja bereits umgebaut, so dass man weitere Filter jederzeit dazu kaufen kann.

Welche Filter brauche ich?

Optik Makario bietet für Infrarot fünf verschiedene Filter an (830 nm, 700 nm, 670 nm, 630 nm und 550 nm). Außer dem 670er habe ich alle genommen, weil ich vor allem für meine Workshops eine breite Auswahl parat haben möchte. Auf den 670er Filter habe ich deshalb verzichtet, weil der Abstand zum 700er mit 30 nm Unterschied ja nicht sehr groß ist.

Wenn zunächst gespart werden soll, würde ich mich jetzt, nach den aktuellen Erfahrungen, für die Kombination 630 nm und 830 nm entscheiden. Wenn Ihnen das 630er zu farbkräftig ist, können Sie entweder stattdessen zum 670 nm Filter greifen oder einfach mit Weißabgleich und Farbsättigung etwas spielen.

Auch für dieses Bild kam der 630 nm Filter zum Einsatz. Ich habe den Weißabgleich aber näher an das Blattgrün gelegt (rechter Baum ist ja fast weiß jetzt). Der Weg im Vordergrund wurde dabei blaustichig, was ich aber mit dem Schwamm-Werkzeug (Sättigung verringern) in Nullkommanix ändern konnte.

Mein Resümee (2011):

Ich habe meine frühere Einstellung geändert. Mit dem Digifinder als Zusatz ist LiveView so weit praxistauglich geworden, dass es für mich zur Zeit die interessanteste Lösung ist. Der definierte Umbau ist nach wie vor eine sehr gute Möglichkeit, aber man sollte die Flexibilität durch eine ganze Palette an Filtern nicht unterschätzen. Wer also über eine Neu-Anschaffung nachdenkt, der ist mit dem undefinierten Umbau plus LiveView sicher gut beraten.
Vorsicht dabei aber bei einigen Sony-DSLR-Kameras: Durch eine technische Besonderheit ist Live-View nur eingeschränkt für IR verfügbar!