Digitale Infrarotfotografie: die Grundlagen kennenlernen
Infrarotfotografie ist anders:
Infrarotfotografie oder IR-Fotografie, wie sie kürzer genannt wird, ist dadurch etwas grundsätzlich Anderes, daß sie außerhalb des für uns Menschen sichtbaren Spektralbereichs stattfindet. Erst der Sensor in der Kamera als Hilfsmittel "übersetzt" das für uns nicht sichtbare Bild in ein sichtbares. Es gibt nicht die Infrarotfotografie schlechthin, sondern viele Varianten sind möglich, je nach Filter, den man verwendet. Dieser spezielle Infrarotfilter (auch Schwarzfilter genannt, weil er für das menschliche Auge fast undurchsichtig erscheint) ist nötig, um das sichtbare Licht auszublenden, denn nur dann entsteht ein Infrarotfoto.
Diese Lektion Infrarotfoto-Grundlagen setzt keine Vorkenntnis voraus. Ein bißchen Theorie ist zum Einstieg unvermeidlich, aber ich habe mich bemüht, von vorn herein den Anwendungsbezug in den Vordergrund zu stellen. Um nicht unnötige Verwirrung zu stiften, kommt IR-Fotografie in Farbe in dieser Lektion noch nicht vor. Das meiste gilt aber auch dort.
Überzeugen Sie sich selbst: Infrarotfotografie ist etwas Faszinierendes!
IR-Fotografie herrlich einfach mit der Digitalen?
Es war schon immer Probieren nötig, weil die richtige Belichtung weit vom gemessenen Wert abweichen kann. Es ist deshalb bares Geld wert, daß man heute sofort das Ergebnis auf dem Display der Kamera kontrollieren kann, ohne daß es einen einzigen Cent kostet. Die früher unverzichtbaren Belichtungsreihen mit dem teuren Spezialfilm ließen Infrarotfotografie zum kostspieligen Luxus werden.
IR-Fotografie ist und bleibt aber immer "was Exotisches", das mit vielen Überraschungen aufwartet. Es ist sicher nichts für denjenigen, der alles einer Vollautomatik überlassen möchte und dabei selbstverständlich beste Qualität erwartet. Das kann schon deshalb nicht funktionieren, weil man für wirklich beeindruckende Ergebnisse erst eine andere Art des Sehens lernen muß.
Genau dabei kann uns aber die sofortige Bildkontrolle einer Digitalkamera so unterstützen, daß es schnell richtig Spaß macht.
In der Praxis leider nicht mit jeder!
Den meisten Digitalkameras der neuesten Generation wurde die grundsätzlich vorhandene Infrarotfähigkeit leider weitgehend "abtrainiert", indem heute extrem dichte Sperrfilter vor dem Sensor eingebaut sind - angeblich im Interesse bestmöglicher Bildqualität im sichtbaren Spektralbereich. Für IR-Aufnahmen bedeutet es aber sehr lange Belichtungszeiten.
Ich möchte hier im Beitrag Grundlagen auf diesen Punkt nicht näher eingehen und verweise auf den Beitrag Kamera umbauen lassen, der diese Fragen im Detail behandelt.
Wellenlänge, sichtbares Licht und Infrarotfotografie
Licht gehört zu den elektromagnetischen Wellen, die einen sehr großen Bereich umfassen. Eine wesentliche Kenngröße ist dabei die Wellenlänge (dasselbe wie bei Radio, Fernsehen, Mobiltelefon...). Nur für einen relativ eng begrenzten Bereich erscheinen dem menschlichen Auge solche Wellen als sichtbares Licht.
Kurzwelligeres Licht können wir nicht mehr sehen (wir sehen dem Licht z.B. auch nicht an, wie schnell man davon einen Sonnenbrand bekommen wird) und langwelligeres auch nicht. Schon beim Fotografieren mit Film mußte man unter bestimmten Voraussetzungen aber Vorkehrungen treffen, um dieses für uns unsichtbare Licht zurück zu halten. Man benutzte einen UV-Filter, weil der Film auf UV-Strahlung reagierte, was zu störenden Effekten führte.
Noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren Filme nicht für das gesamte sichtbare Licht empfindlich, sondern außer UV überwiegend nur für Blau- und Blaugrüntöne, und auch heute noch geben viele Schwarzweißfilme Rottöne dunkler wieder als Blautöne. Für Licht im Infrarotbereich ist ein Film nur dann empfindlich, wenn er durch die Zugabe geeigneter Substanzen entsprechend sensibilisiert wurde. Um überhaupt nennenswert etwas davon zu merken, muß man aber erst einmal dafür sorgen, daß das sichtbare Licht zurück gehalten wird.
Schwarzfilter
Genauso, wie der UV-Filter dazu dient, daß nur Licht ab einer gewissen Wellenlänge durchgelassen wird, funktioniert der Schwarzfilter. Lediglich die entsprechenden Wellenlängen sind verschieden. Das sichtbare Licht reicht ungefähr von 400 nm bis 750 nm. Ein Nanometer (nm) ist ein Millionstel Millimeter. Licht von 400 nm Wellenlänge erscheint uns blau-violett, solches von 750 nm Wellenlänge rot. Da der UV-Filter ab ca. 400 nm durchlässig ist, blockiert er kein sichtbares Licht und scheint einfach ein "ganz normales Glas" zu sein. Ein Schwarzfilter, der erst für größere Wellenlängen als 750 nm durchlässig ist, erscheint uns schwarz (daher auch der Name). Daß infrarote Strahlung durchgelassen wird, können wir nicht sehen.
Infrarotfilm
Infrarotfilm war normalerweise immer ein Schwarzweißfilm (Ausnahme: Kodak Ektachrome Infrared-Film). Er braucht speziell angepaßte Entwicklung, hat oft sehr niedere und schwankende Empfindlichkeit, muß kühl gelagert werden und sollte am besten nur im Dunkeln gewechselt werden (Einzelheiten entnimmt man dem Beipackzettel). Da diese Filme durch die kleinen Stückzahlen außerdem auch relativ teuer sind, war Infrarot-Fotografie mit Film noch nie etwas für die Masse.
Infrarot-Fotografie mit Digitalkameras
Anders als Film, der für Infrarotaufnahmen ja speziell sensibilisiert sein muß, sind die Sensoren der meisten Digitalkameras bereits von selbst von UV bis weit in den Infrarotbereich hinein empfindlich (nämlich von ungefähr 380 bis nahe 1200 nm). Damit wären sie also für Infrarot hervorragend geeignet. Weil aber natürlich möglichst normal aussehende Bilder auch für Digitalkameras angestrebt werden, ist vor dem Sensor ein Filter eingebaut, der das durchgelassene Licht auf den Bereich zwischen 400 und 750 nm beschränken. Einer Digitalkamera wird so ihre eigentlich vorhandene Infrarot-Fähigkeit genommen.
Schwarzfilter an der Digitalkamera
Was passiert nun, wenn man an einer Digitalkamera einen Schwarzfilter vor die Linse setzt? Gar nichts mehr, würde man wohl erwarten. Tatsächlich ist es von Kameramodell zu Kameramodell sehr verschiedenen. Noch vor einigen Jahren war der interne Sperrfilter nur mäßig "dicht". Das bewirkte, daß bei entsprechend langer Belichtungszeit die meisten älteren Digitalkameras auf diese Weise für Infrarotaufnahmen leidlich verwendbar waren. Bei den meisten modernen Kameras ist der interne Filter aber so stark, dass sich sehr lange Belichtungszeiten für IR ergeben. Ich empfehle deshalb, dass man Infrarot-Fotografie nur mit entsprechend modifizierten Kameras betreibt.
Die Kamera sieht anders als unser Auge
Ganz selbstverständlich erwarten wir beim Fotografieren meist, daß die Kamera beim Druck auf den Auslöser genau das festhält, was wir in dem Augenblick sehen. Tatsächlich war das aber schon immer nur annähernd der Fall - mit unterschiedlich großen Abweichungen. Die Ursache für viele enttäuschende Bilder liegt darin, daß der Fotograf diese Diskrepanz ignoriert hat.
Ein Beispiel: Wir sehen nur deshalb räumlich, weil wir zwei Augen haben. Eine normale Kamera hat aber nur ein Objektiv und kann damit alles nur flach abbilden. Wer schon einmal Stereofotos gesehen hat (das sind die, für die man eine Spezialbrille braucht), ist von der 3D-Wirkung sofort beeindruckt. Und doch gibt es viele hervorragende Landschaftsaufnahmen, die nur zweidimensional sind, aber man empfindet trotzdem räumliche Tiefe. Das ist dann der Fall, wenn der Fotograf Gestaltungsmittel eingesetzt hat, die wir aus der Alltagserfahrung sofort mit nah / fern assoziieren. Eine Landschaftsaufnahme ohne Vordergrund wird z.B. immer viel flacher wirken als dasselbe Bild mit Vordergrund. Das ist einer der Gründe, warum es nicht reicht, die Kamera ans Auge zu halten und abzudrücken. Ein besseres Bild muß komponiert werden.
Infrarot: Was ist da so besonders?
Zuerst sollte man sich bewußt machen, daß man in einem Spektralbereich fotografiert, den der Mensch nicht sehen kann. Es ist deshalb sehr nützlich, dass man mit der Digitalkamera mindestens die Möglichkeit sofortiger Bildkontrolle nach der Aufnahme hat. Aber man wird ja träge und anspruchsvoll und erwartet, dass man das zu erwartende Ergebnis doch bitteschön bereits vor dem Druck auf den Auslöser sehen möchte!
Dagegen spricht nichts, meine ich. Wer mit einer auf IR umgebauten Kamera mit elektronischem Sucher arbeitet, sieht tatsächlich den Effekt schon im Sucher (oder eben auf dem Display hinten auf der Kamera).
Hier ein paar Bildbeispiele:
Der Wood-Effekt
Der Wood-Effekt ist spektakulär: Chlorophyll (also Blattgrün) reflektiert im Infrarot-Frequenzbereich und erscheint deswegen sehr hell bis weiß.
Wolken und Himmel
Blauer Himmel wird je nach Lichteinfall oft sehr dunkel wiedergegeben. Auch hauchdünne Wolken, die im sichtbaren Licht kaum auffallen, werden gestalterisch prägnant.
Wasser
Im IR hat eine Wasseroberfläche einen anderen Grenzwert der Totalreflexion. Das führt dazu, dass ein See oder Fluss meistens fast schwarz erscheint.
Beeindruckende Fernsicht
Dunst verschwindet im IR fast vollständig. Das Ergebnis sind Landschaftsfotos, wie man sie sonst nur an wenigen Tagen mit Fönwetter machen kann.
Porträts
Völlig faszinierend finde ich auch die Möglichkeit, eine umgebaute Kamera für Portrait- und Aktaufnahmen zu verwenden: Die Haut wirkt wie Porzellan. Hautunreinheiten verschwinden fast vollständig. Alles Rötliche wird sehr hell wiedergegeben. Allerdings lauern ein paar böse Fallen, die man kennen sollte.
Resümee:
Ich denke, ich konnte ein paar Eindrücke vermitteln, in welche vielseitigen Richtungen Infrarot-Fotografie gehen kann und dass es wesentlich mehr ist als nur der allseits bekannte "Raureif im Sommer" (der Wood-Effekt). Bisher habe ich mich bewusst auf Schwarzweiß-IR beschränkt. Es wartet auch noch IR in Farbe. Dazu aber später mehr.