Infrarot und Schärfe-Probleme

Darum geht es hier:

Im Zusammenhang mit Infrarot-Fotografie stößt man früher oder später auch auf den Begriff Fokusdifferenz. Es kann eine nicht unerhebliche Abweichung zwischen dem ∞-Scharfpunkt im sichtbaren Licht und dem im IR geben kann. Wenn das nicht berücksichtigt wird, sind unscharfe Bilder das Resultat.

Erfahren Sie hier, in welchen Fällen das überhaupt problematisch werden kann.

Die gute Nachricht

Wenn Sie mit einer spiegellosen Kamera fotografieren, brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Diese Kameras stellen direkt auf dem Bildsensor scharf, also hinter dem IR-Filter. Selbst wenn das verwendete Objektiv eine Fokusdifferenz haben sollte, spielt die hier keine Rolle. Die Kamera »merkt« nämlich gar nicht, dass eine Abweichung überhaupt existiert, denn das sichtbare Licht ist ja ausgeblendet und nur IR steht zum Fokussieren zur Verfügung.

Ich meine, dass schon dieser Vorteil Grund genug sein sollte, um bei Anschaffung einer IR-Kamera sich gezielt unter den spiegellosen Kameras umzuschauen.

Fokus-Differenz bei DSLR-Kameras

Das Bild, das der Fotograf bei DSLR-Kameras im Sucher sieht, nimmt ja einen anderen Strahlengang als dasjenige, das nachher beim Druck auf den Auslöser auf den Bildsensor gelangt. Ist ja banal, denken Sie jetzt vielleicht, aber für Infrarot-Fotografie kann das eine wesentliche Rolle spielen. Sowohl das Sucherbild wie auch das Bild, das nachher den Bildsensor erreicht, haben zwar den Weg durch das Objektiv genommen, aber das Sucherbild, das ja durch den Spiegel umgelenkt wurde, ist natürlich nicht durch den IR-Filter unmittelbar vor dem Bildsensor gelaufen.

Es gibt unterschiedliche Konstruktionsweisen, an welcher Stelle die Belichtungsmessung erfolgt und wo scharfgestellt wird. Allen gemeinsam ist aber, dass zwischen IR-FIlter und Bildsensor nichts mehr passiert. Die Kamera »ahnt« auc gar nicht, dass jetzt ein anderer Filter passiert werden muss als vor dem Umbau.

Wer eine solche Kamera professionell umbaut, wird natürlich auch den Autofokus neu justieren. Damit ist das Problem aber nicht vollständig beseitigt, denn es kann durchaus passieren, dass es von Objektiv zu Objektiv unterschiedliche Abweichungen gibt. Vor allem ältere Festbrennweiten tanzen da aus der Reihe.

Spiegellose Kameras lassen sich dagegen von so etwas nicht beeindrucken, weil sich das Problem dort ja gar nicht stellt.

Apochromatische Objektive

Neuere Zoomobjektive (vor allem die teureren) sind oft apochromatische Konstruktionen. Das bedeutet, sie sind so berechnet, daß die Abhängigkeit des Scharfpunkts von der Wellenlänge des Lichts vermieden wird. Erreicht wird das durch einzelne Linsen aus speziellen Glassorten. Obwohl das meistens nur für den sichtbaren Spektralbereich berücksichtigt wird, ist die Abweichung im Infrarotbereich bei diesen Objektiven auch mindestens sehr stark reduziert oder - wenn man Glück hat - gar nicht vorhanden.

Das bedeutet: Apochromatische Objektive sind eine gute Wahl für Infrarot-Aufnahmen mit DSLR-Kameras.

Leider ist nicht ohne weiteres gleich zu erkennen, welche Objektive Apochromaten sind, denn jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen und tauft seine Objektive phantasievoll. Bei Sigma heißen diese Objektive Apo. Nikon nennt sie ED, und wie sie bei anderen Herstellern heißen weiß ich nicht auswendig. Kann man aber sicher rausfinden, wer's wissen will.

In Wirklichkeit sind die Mehrheit solcher Objektive aber keine "richtigen" Apochromaten, sondern nur Halb-Apochromaten (nur ein Teil des Spektrums ist vollständig korrigiert). In der Praxis merkt man das aber kaum und braucht sich deshalb drüber keine grauen Haare wachsen zu lassen.

Scharf stellen auf dem Display hinten an der Kamera

Das ist eine Option, die man in Betracht ziehen sollte. Sie bringt allerdings nur dann etwas, wenn die Kamera zum Fokussieren tatsächlich das vom Bildsensor erfasste Bild nutzt. Ich wäre zumindest skeptisch, ob das bei DSLR immer der Fall ist. Zu bedenken ist aber auch, dass es doch ganz schön lästig ist eine nicht ganz leichte Kamera freihändig à la Handy zu jonglieren. Mein Ding wäre es jedenfalls nicht.

Resumee

Selbstverständlich kann man mit korrekt auf IR umgebauten DSLR-Kameras tadellos scharfe Bilder machen, ohne dass man dauernd von Hand korrigieren muss. Man halst sich aber durch die SLR-Bauweise gerade für Infrarot ein Problem auf, das auf dem heutigen Stand der Technik völlig überflüssig ist. Viele spiegellose Kameras haben inzwischen so gute elektronische Sucher, dass die Kinderkrankheiten wie zu geringe Auflösung und starkes Ruckeln beim Bewegen der Kamera wirklich kein Thema mehr sind.

Wenn Sie also gerade vor der Entscheidung stehen eine Kamera auf IR umbauen zu lassen, überlegen Sie sich lieber zwei Mal, ob Sie dafür eine DSLR nehmen wollen.