Fotoschule: Technische Grundlagen
Eigentlich widerstrebt es mir, mit einem technischen Thema das Grundwissen Fotografie zu beginnen, weil die technischen Fragen nach meinem Empfinden wirklich nicht das sind, was für ein gelungenes, ausdrucksstarkes Foto das Entscheidende ist. Andererseits macht es aber auch kaum Sinn, Dinge zu verschweigen, die in sehr kurzer Zeit vermittelt werden können und eben schon auch nützlich sind. Deshalb also doch ein kompakter fototechnischer Schnelleinstieg.
Zeit und Blende
Ob früher mit Film oder heute digital: Belichtungszeit und Blende sind zwei wichtige Regelungsgrößen geblieben, um die genau passende Portion Licht einzufangen. Die Belichtungszeit braucht keine großen Erklärungen. Es ist einfach die Zeitdauer, wie lange das durch die Optik (also das Objektiv) einfallende Licht auf dem Film oder Chip einwirken kann. Ganz naiv ausgedrückt: Klappe auf - belichten - Klappe zu.
Die Blende hat für den absoluten Anfänger zu Unrecht etwas Dubioses. Man kann sich die Wirkungsweise gut am Eimermodell verdeutlichen, das auch gleich das Zusammenspiel von Belichtungszeit und Blende und noch Einiges mehr erklärt.
Licht statt Wasser
Ein Eimer soll genau bis zum Eichstrich mit Wasser gefüllt werden. Die Zuflußleitung verfügt über einen Wasserhahn. Wenn man ihn weit öffnet, ist der Eimer schneller voll als wenn man nur ein dünnes Rinnsal laufen läßt. Wie lange der Füllvorgang dauert hängt aber auch noch vom Wasserdruck ab (ein Manometer zeigt ihn an). Bei niederem Wasserdruck dauert der Füllvorgang auch bei weit geöffnetem Wasserhahn merklich länger als bei hohem Wasserdruck. Die Füllzeit hängt aber auch noch entscheidend davon ab, wie groß überhaupt das Gefäß ist (eine Kaffeetasse ist bekanntlich schneller voll als ein Bierfaß!).
Abbildung: Das Eimermodell
Übertragen wir das auf die Fotografie, so reicht die Analogie verblüffend weit:
- der Wasserleitung entspricht das Objektiv
- dem Wasserhahn entspricht die Blende
- dem Wasserdruck entspricht die vorhandene Helligkeit bei der Aufnahme
- dem Eimer entspricht der Bildsensor bzw. früher der Film
- Größe des Eimers entspricht eingestellter ISO-Wert
- Füllstand "voll" entspricht richtig belichtet
- weniger als voll entspricht unterbelichtet
- Eimer läuft über entspricht überbelichtet
Genauso wie man den Wasserdruck meistens als nicht beeinflußbare Größe hinnehmen muß, ist auch die Helligkeit nur sehr bedingt änderbar (Ausnahme: Blitz). Um den Füllvorgang zu verkürzen, kann man aber den Hahn ganz aufdrehen und außerdem ein kleineres Gefäß nehmen.
Übetragen auf die Fotografie heißt das:
- man kann die Blende [den Wasserhahn] ganz öffnen und
- höhere Empfindlichkeit (ISO) einstellen [ein kleineres Gefäß nehmen].
Natürlich gibt es auch unterschiedliche Zuleitungen. Um den Rasen zu sprengen, ist ein normaler Gartenschlauch das Richtige. Wenn es aber brennt und die Feuerwehr löschen soll, ist man sicher froh, daß die einen etwas dickeren Schlauch mitgebracht haben!
Schauen wir uns an, was die Entsprechung in der Fotografie ist:
- Wer oft bei wenig Licht fotografiert ("available light" - z.B. im Innenraum) möchte gerne ein Objektiv haben, bei dem sich die Blende besonders weit öffnen läßt (das bedeutet hohe Lichtstärke) [der Feuerwehrschlauch]. Solche Objektive sind deutlich größer, schwerer und teurer. Für viele durchschnittliche Zwecke genügt auch ein Objektiv mit geringerer Lichtstärke [der Gartenschlauch].
Ein Blick über den Eimerrand hinaus:
Jeder weiß aber, daß Fotos unbeabsichtigt unscharf werden können. Das kann zwei Gründe haben:
- Das Motiv bewegt sich so schnell, daß es in der Zeit, solange belichtet wird, schon ein merkliches Stück Wegs zurückgelegt hat. Es entsteht Bewegungsunschärfe [ungefähr so, wie wenn einer den Eimer wegzieht solange er noch nicht vollgelaufen ist].
- Die Belichtung dauert so lang, daß ich die Kamera nicht ruhig gehalten habe. Das Bild wird verwackelt [wenn einer dauernd am Eimer wackelt, schwappt Wasser daneben].
Es gibt also Einflußgrößen, die es sinnvoll machen, daß sich die "Füllzeit" (entspricht Belichtungszeit) nicht beliebig in die Länge zieht.
Je kürzer die Belichtungszeit umso geringer das Risiko verwischter Bilder. Die Grenze für ruhige, statische Motive liefert die Brennweite. Weitwinkel-Objektive vertragen längere Belichtungszeiten aus freier Hand (1/30 Sekunde ist eine realistische Grenze). Mit Tele-Objektiven verwackelt man viel früher. Je nach Brennweite braucht da auch 1/250 Sekunde schon sogar eine ruhige Hand. Mit Bildstabilisator sind aber auch deutlich längere Belictungszeiten machbar.
An der Schlichem-Klamm bei Balingen
Man könnte jetzt auf die Idee kommen, einfach immer mit sehr hoher ISO-Einstellung zu fotografieren. Das ist aber nicht zu empfehlen, weil hohe Empfindlichkeit ihren Preis kostet: Solche Aufnahmen sind mehr oder weniger stark verrauscht, haben also Qualitätsmängel. Man sollte deshalb den ISO-Wert möglichst niedrig halten (bei vielen Kameras sind das ISO 200). Wenn man ein ganz normales Landschaftsbild machen möchte, braucht man sicher keine 1/1000 Sekunde. Und es gibt auch Motive (siehe oben), die sogar von recht langen Belichtiungszeiten leben. Man sollte immer wieder experimentieren und auf diese Weise ein immer besseres Gefühl dafür entwickeln, welche Belichtungszeit die interessanteste Bildwirkung ergibt.
Den ISO-Wert nicht ohne Notwendigkeit hoch wählen. Sie sollten auch die Belichtungszeit bewußt als Gestaltungsmittel einsetzen.
Der Automatik vertrauen?
Man hat sich bei der Konstruktion der Kamera natürlich etwas gedacht. Um das Optimum aus seiner Kamera heraus zu holen, sollte man wissen, was genau sich hinter welcher Automatik-Einstellung verbirgt. Weil das von Kamera zu Kamera verschieden ist, würde das hier zu weit führen. Ein genauer Blick in die Bedienungsanleitung hilft weiter.
Hier eine Aufnahme vom Krimmler Wasserfall. Vergessen Sie nie: Sie als Fotograf sollten entscheiden, wie Sie fließendes Wasser wiedergeben wollen und das nicht einer Vollautomatik überlassen!
Trotzdem läßt sich etwas allgemein Gültiges sagen:
Empfehlung:
Die Vollautomatik ist nur selten die beste Wahl. Sie wurde eher für unerfahrene Knipser entwickelt, die gar keine Lust haben sich mit technischen Fragen zu befassen. Die von der Kamera vollautomatisch eingestellten Werte sind deshalb darauf ausgelegt, dass auch im ungünstigsten Fall möglich wenig schief gehen kann.
Oft werden dabei aber interessante Gestaltungsmöglichkeiten verschenkt. Ich finde, dass Zeitautomatik oder Blendenautomatik die wesentlich bessere Variante ist. Man wählt die gewünschte Blende oder Belichtungszeit vor und überlässt die Ermittlung des dazu passenden Wertes der Kamera. Es ist nach meiner Erfahrung aber völlig unnötig, dass man die gesamten Belichtungs-Einstellungen von Hand macht. Wer die Grundlagen der Belichtungsmessung und die paar wenigen Spezialfälle verstanden hat (siehe oben), kann das Thema Belichtung heute getrost der Kamera überlassen.
Die Automatik mit Zeitvorwahl ist immer dann die beste Wahl, wenn es wichtig ist einen bestimmten Belichtungswert einzuhalten. Schauen Sie sich die beiden Wasser-Bilder an: Die verwischte Wiedergabe des fließenden Wassers braucht eine recht lange Belichtungszeit (hier war es 1/8 Sekunde); das Wasserfallbild, bei dem fast jedes Tröpfchen sichtbar werden soll, eine sehr kurze (hier 1/4000 Sekunde).
Der Fotograf sollte bewusst entscheiden, welchen Effekt er für sein Bild haben möchte - nicht irgendeine Vollautomatik!
Noch ein Blick auf Zahlenwerte
Wir hatten bisher mit drei teilweise etwas seltsamen Zahlenreihen zu tun:
- die Belichtungszeiten
- die Blendenwerte
- die ISO-Werte
Es hat wohl weitgehend historische Gründe, dass sich das so gehalten hat. Es wird besser nachvollziehbar und besser handhabbar, wenn man die jeweiligen Grundlagen kennt.
Die Belichtungsreihe
In der Anfangszeit der Fotografie vor fast 200 Jahren war die erforderliche Belichtungszeit noch extrem lang: Es handelte sich um mehrere Minuten. Es gab noch keinen Auslöser, den man drücken konnte und der nach voreingestelltem Wert die Belichtung beendete. Das war auch nicht nötig, denn wer eine Minute oder länger belichtet, der kann in aller Ruhe einfach den Objektivdeckel abnehmen, die ablaufende Zeit stoppen und den Deckel wieder aufsetzen.
Die Entwicklung ging aber voran. Die Foto-Emulsionen wurden immer lichtempfindlicher und die Zeiten kürzer. Es musste ein Mechanismus her, der auch sehr kurze Belichtungszeiten zuverlässig und genau steuern konnte: der Verschluss.
Wenn man doppelt so lange belichtet, kommt genau doppelt so viel Licht beim Film an. Und weil man schon vor 100 Jahren längst bei Belichtungszeiten kürzer als 1 Sekunde angelangt war musste man das auch irgendwie einstellen können. Aus Platzgründen wurde bald auf dem Verschluss statt ½, ¼, ⅛ nur noch 2, 4, 8 usw. eingraviert. Kennt man ja auch heute noch, also nichts Besonderes.
Schauen wir uns die durch Verdopplung von Schritt zu Schritt entstehende Reihe etwas genauer an:
1 · 2 · 4 · 8 · 15 · 30 · 60 · 125 · 250 ...
Sie sehen's ja selbst: Da wird gemogelt! 15 müsste eigentlich 16 heißen, 30 eigentlich 32 usw. Die Werte werden 10er-System-freundlich geglättet. Ich meine, man kann's hinnehmen.
Die Blendenreihe
Um Einiges exotischer kommt da schon die Blendenreihe daher:
1 · 1,4 · 2 · 2,8 · 4 · 5,6 · 8 · 11 · 16 ...
Von einem Blendenwert zum nächstgrößeren der Reihe wird nur noch halb so viel Licht durchgelassen. Von Blende 2 bis Blende 8 ist das also nicht etwa (wie man naiverweise ja denken könnte) ¼, sondern es sind 4 Schritte in der Blendenreihe, und weil jeder Schritt halbiert, kommt nur noch 4² × weniger Licht an, also ein Sechzehntel.
Warum ist das so eigenartig?
Definition des Blendenwertes
Blendenwert = Brennweite / Öffnung
Diese Formel gilt exakt nur bei Entfernung unendlich, aber für unseren Zweck hier ist das ausreichend. Der springende Punkt ist, dass Öffnung den Öffnungsdurchmesser meint, weil man den halt leichter messen kann. Dummerweise ist für die ankommende Lichtmenge aber die Öffnungsfläche maßgebend! Und weil die Fläche eines Kreises bekanntlich mit Πr² berechnet wird, mogelt sich in unsere so schön gedachte Blendenreihe der Faktor √2 rein und macht die Zahlen so unschön zu handhaben.
Und Zahlen "glatt gebügelt" werden natürlich in der Blendenreihe auch wieder. √2 ist ja nicht 1,4 sondern 1,4142... usw. Deshalb ist Blende 11 in Wirklichkeit 11,3 usw.
Und noch ein Stolperstein ist zu beachten: Je höher der Zahlenwert der Blende, desto weiter geschlossen ist die Blende, also kleiner die eingelassene Lichtmenge!
Die ISO-Werte
Früher hieß es Filmempfindlichkeit und hatte mehrere verschiedene Maßsysteme (DIN, ASA usw.). Wir brauchen uns darum nicht weiter zu kümmern. Heute begegnet uns in der Praxis nur der ISO-Wert. Natürlich ist er irgendwo genauer definiert was wieviel bedeutet - aber nicht hier jetzt.
ISO-Werte verdoppeln sich von einem Schritt zum nächsten und verhalten sich also wie die Belichtungsreihe. Wenn man den ISO-Wert von z.B. 100 auf 1600 erhöht, so sind das 4 Stufen (100 - 200 - 400 - 800 - 1600). Angenommen bei der vorhandenen Lichtsituation und der eingestellten Blende (die uns jetzt nicht weiters kümmern soll) wäre vorher eine Belichtungszeit von 1/15 Sekunde nötig gewesen, so ist nachher nur noch 1/250 Sekunde nötig (4 Stufen kürzer nämlich).
Bei sehr hohen ISO-Einstellungen verschlechtert sich das Rauschverhalten der Kamera merklich. Es macht aber auch keinen Sinn zu versuchen, den ISO-Wert mit Gewalt ganz weit runter zu drücken. Die Kamera hat ihren konstruktionsbedingten Idealwert. Bei den meisten Kameras liegt der bei 200 ISO, bei anderen bei 100 ISO. Dieser Idealwert ist auch ein sehr guter Standardwert, wenn es ausreichend hell ist.
Zusammenfassung
Eine gute Nachricht: Das, was Sie in dieser Lektion in kompakter Form erfahren haben, ist auf dem heutigen fotografisch geläufigen Stand tatsächlich alles wirklich Wichtige! Lesen Sie es also in Ruhe nochmals durch und werfen Sie auch einen aufmerksamen Blick in die Bedienungsanleitung Ihrer Kamera, wenn Ihnen nicht klar ist, wo bei Ihrer Kamera was zu finden ist.