Fotoschule: Mit Tiefenschärfe arbeiten
Tiefenschärfe oder Schärfentiefe?
Wie heißt es denn jetzt richtig? Korrekter ist sicher die Bezeichnung Schärfentiefe, denn es geht um die Tiefe (= räumliche Ausdehnung) des Schärfenbereichs. Schließlich handelt es sich beim Tischbein ja auch um das Bein des Tisches und nicht um den Tisch des Beines. Der Begriff Tiefenschärfe ist der früher gebräuchliche. Und entsprechend gibt es beide Versionen noch, und beide meinen dasselbe.
Gezielt eingesetzte Schärfe oder Unschärfe ist ein sehr wirksames fototechnisches Gestaltungsmittel. Deshalb sollte man die Werkzeuge kennen, mit denen man hier Einfluß nehmen kann.
Scharf von vorn bis hinten?
Viele meinen, ein technisch tadelloses Foto hat gefälligst vom Vordergrund bis zum Hintergrund maximal scharf zu sein. Handycam-Bilder leisten das ganz von selbst durch das sehr kleine Aufnahmeformat. Geringe Tiefenschärfe ist systembedingt damit gar nicht möglich (oder nur durch Trickserei bei der Bearbeitung).
Gleichmäßige maximale Schärfe von ganz nah bis unendlich: Dafür wurde die Blende 16 gewählt.
Keine Frage, es gibt natürlich Motive, bei denen das gestalterisch einfach Sinn macht und das auch dem menschlichen Sehen am besten entspricht. Unterstützt wird bei dem hier gezeigten Bild die ausgesprochen starke räumliche Tiefenwirkung durch Verwendung eines Weitwinkel-Objektivs.
Das sollten Sie wissen:
Die Einstellung der Blende beeinflußt die Tiefenschärfe stark. Je weiter die Blende geöffnet wird, umso selektiver ist das Schärfeverhalten. Es wird überwiegend nur das scharf abgebildet, das sich genau in der Entfernung befindet, auf die ich eingestellt habe.
Die Tiefenschärfe ist ein sehr wertvolles fotografisches Gestaltungsmittel, das man nicht desinteressiert der Vollautomatik überlassen sollte, weil man dann nämlich nicht mehr wirklich selbst bestimmt, wie das Bild aussieht. Man sollte sich klar machen, daß man die Aufmerksamkeit steuern kann indem man nicht beliebig alles gestochen scharf abbildet, sondern nur das, was einem wichtig ist. Den Rest läßt man in fein gesteuerter allmählicher Unschärfe "abtauchen".
Es gibt viele Motive, bei denen es gestalterisch sehr viel effektvoller ist, wenn die Schärfe gezielt auf das bildwichtige Element beschränkt wird. Scharfer Hintergrund wäre hier nur störend gewesen.
Die Tiefenschärfe kann man feiner dosieren, wenn man den Aufnahmestandpunkt so wählt, daß sich die Teile des Motivs, die man hervorheben möchte, ungefähr gleich weit entfernt von der Kamera befinden. Man kann dann die Aufnahme mit weiter geöffneter Blende machen.
Die gezielte Steuerung der Schärfe im Bild empfinde ich als sehr wichtig. Ich benutze deshalb meistens die Teilautomatik meiner Kamera, bei der ich die Blende vorwählen kann und die Kamera die dazu passende Belichtungszeit ermittelt.
Wieviel Tiefenschärfe ist richtig?
So gestellt macht die Frage keinen Sinn! Wieviel Tiefenschärfe ich für ein bestimmtes Bild ideal finde ist letzten Endes immer eine rein individuelle Entscheidung. Sie ist ein Gestaltungsmittel unter vielen und ein Teil der Bildsprache des Fotografen. Allein schon deshalb ist es der Mühe wert, diesem Thema Aufmerksamkeit zu schenken.
So gehe ich vor:
Fast bei jedem Bild ist schnell klar, worauf ich den Haupt-Augenmerk legen will. Das ist dann auch der Punkt, auf den ich scharf stelle. Zuerst habe ich die Blende ganz offen, also kleinstmögliche Tiefenschärfe. Im Sucher sehe ich dann bereits, wie der Schärfeverlauf sein wird. Mit ganz offener Blende ist mir das oft zu extrem. Ich schließe die Blende langsam und kontrolliere aufmerksam. Bei halb gedrücktem Auslöser zeigt mir meine Kamera das Bild so, wie es nachher werden wird.
Erst die wohl dosierte Tiefenschärfe gibt dem Bild seine optimale Raumwirkung.
Wer das hier als Neuling liest denkt wahrscheinlich, du liebe Zeit, das muß ja eine Ewigkeit dauern so ein Bild zu machen! Ganz so ist das nicht. Ich gebe aber zu, daß meine Bilder nur sehr selten Schnellschüsse sind. Ich beobachte erst mal, und ich gucke kritisch durch den Sucher. Dann ist es auch kein Problem die nötigen Entscheidungen für den Bildaufbau zu treffen. Die Beschreibung liest sich lang, aber wenn einem die Arbeitsweise vertraut ist, dauert die Umsetzung wirklich keine Ewigkeit. Ich empfehle deshalb jedem, sich mal ein paar Stunden Zeit zu nehmen und systematisch mit der Tiefenschärfe zu spielen. Man entwickelt dann schnell ein Gefühl dafür.
Empfehlung:
Das Ausmaß der Tiefenschärfe beeinflusst sehr wesentlich wie das Bild als Ganzes "rauskommt". Probieren Sie das mal systematisch aus! Sie werden sehen, dass es oft nicht »die« einzig richtige Einstellung gibt, dass aber die Bildwirkung eben eine ganz andere ist mit Schärfe von vorn bis hinten oder mit stark selektiver Schärfe. Sie als Fotograf sind gefordert die Entscheidung zu treffen.