Teiltonung für Farbbilder anwenden
Im RAW-Konverter (Photoshop Vollversion oder Lightroom) gibt es ja etwas versteckt und deshalb von vielen nicht weiter beachtet das Werkzeug Teiltonung. Die meisten, die es überhaupt wahrnehmen und gelegentlich verwenden, benutzen es für Tonungseffekte von SW-Bildern. Ich möchte hier zeigen, dass es aber auch für Farbaufnahmen interessante Möglichkeiten bietet.

Hier sehen Sie eine Aktaufnahme im Original. Ziemlich bunt und farbkräftig. Ob man das so ideal findet oder nicht, das ist natürlich Geschmackssache, und das möchte ich hier auch gar nicht diskutieren.
Es geht mir um etwas ganz anderes: Welche einfache Möglichkeit gibt es, wenn ich die kräftigen Blau- und Grüntöne, die hier im Hintergrund dominieren, zurück nehmen und in einen anderen tonbereich verschieben möchte, ohne dass die Hauttöne dabei ungünstig beeinflusst werden?
Teiltonung in den Tiefen lautet mein Rezept, das ich mit etwas Überlegung bedenkenlos auf das ganze Bild anwenden kann ohne dem Hautton zu schaden. Ich wähle nämlich einen Farbton, der sehr nahe an dem liegt, wie die von der Sonne gebräunte Haut sowieso aussieht. Ich beschränke die Tonung auf die Tiefen, wo Hauttöne aber meistens gar nicht oder nur zum geringen Teil liegen.
Die Zahlenwerte 35 und 20 sind eine ganz gute Wahl, um damit anzufangen.

Falls Sie sich wundern, was da jetzt genau passieren wird, macht ein genauerer Blick auf die Funktionsweise des Werkzeugs Sinn. Hier links sehen Sie einen Verlauf von Weiß nach Schwarz, der in den hellen Bereichen mit einer anderen Farbe getont wird als in den dunklen Bereichen. Der Farbton 220 ist ein Blau, das hier auf die Lichter wirken soll. Den Farbton 35 für die Tiefen kennen wir ja bereits von weiter oben. Die Sättigung habe ich auf den Wert 50 gesetzt, um die Wirkung der Teiltonung in dem Verlauf stärker sichtbar zu machen.
Den Regler Abgleich habe ich auf dem voreingestellten Wert Null stehen lassen. Durch Verschieben dieses Reglers kann man in sehr weiten Grenzen beeinflussen, bei welcher Helligkeit der Übergang von Lichtern zu Schatten erfolgt - probieren Sie es einfach mal selbst aus. Sie werden dabei merken, dass der Regler Sättigung ganz nützlich ist, um den Gesamteindruck der Tonung nicht total in die eine oder andere Richtung kippen zu lassen, wenn man den die Werte für den Abgleich extremer wählt, also weit weg von Null.

Aber zurück zu unserem Beispiel. Wie Sie rechts sehen, wird durch den ins Goldene gehenden Ton 35 der Hautton sogar positiv beeinflusst. Ich mag diesen Effekt recht gerne und habe mir deshalb die Einstellungen abgespeichert (aber dazu komme ich gleich).
Wenn Sie bis hier schon selber alles nachgemacht haben, werden Sie sich wahrscheinlich wundern, warum Ihre Ergebnisse anders aussehen (zu farbintensiv nämlich). Das ist aber leicht zu verstehen: Die Sättigung der Teiltonung wird zur bestehenden Sättigung des Ausgangsbilds hinzu gefügt. Das ist aber nicht unbedingt das Erwünschte. Abhilfe schafft der Griff zum Dynamik-Regler:
Ich habe den Wert um 40 reduziert. Das Gesamtbild verliert dadurch deutlich an Farbintensität. Unsere Teiltonung kann das aber in den Tiefen ausgleichen. Ich orientiere mich dabei am Hautton - bis der mir eben gut zusagt.
Ob man Dynamik oder das konventionellere Sättigung für diese Korrektur wählt, ist der eigenen Vorliebe überlassen. Dynamik hat aber den Vorteil, dass speziell mit Hauttönen vorsichtiger umgegangen wird, was ja ganz nützlich ist, meine ich.
Weil ich gerne solche Effekte wie hier mit der Teiltonung gezeigt immer wieder verwende und es nützlich sein kann, wenn man dafür nicht jedes Mal alle Einstellungen wieder ganz neu machen muss, speichere ich mir das als Vorgabe ab.

Die Vorgaben findet man im RAW-Konverter von Photoshop unter dem zweiten Reiter von rechts (das Symbol mit den drei Schiebern - ob das so glücklich gewählt ist, darüber kann man geteilter Meinung sein, aber was soll's...). Die Schaltfläche für weitere Schritte ist sehr klein und wird leicht übersehen. Ich habe sie deshalb hier grün umrandet.

Wenn man Einstellungen speichern anklickt, bekommt man eine Auswahl angeboten wie beim Synchronisieren (also wenn man Einstellungen aus einem einzelnen Bild auf eine ganze Serie Bilder übertragen möchte). Ich zeige hier einen Ausriss mit den für unser Beispiel relevanten beiden Einstellungen.
Ich wähle also im Ausklappmenü oben die Option Eigene Teilmenge und mache nur bei Dynamik und bei Teiltonung das Häkchen. Im nächsten Schritt werde ich aufgefordert einen Namen für meine neue Vorgabe zu vergeben.
Ich habe das für Photoshop erklärt. In Lightroom ist das etwas anders gelöst. Da ich dieses Programm aber nicht zur Hand habe, bitte selber in der Hilfe nachschauen, wo das genau zu finden ist. Ich weiß es momentan nicht auswendig.
Mut zum Experiment

vorher / nachher vergleichen: Maus aufs Bild bewegen
Seien Sie nicht unnötig zaghaft: Es stimmt zwar, dass die meisten farblichen Effekte leicht ins Kitschige abgleiten, wenn man zu dick aufträgt, aber wo die Grenze liegt, das kommt immer auf die Besonderheiten des Motivs an. Ich möchte bei Personenaufnahmen bleiben: Hier gilt generell, dass Teiltonung in einer Farbe nahe des Hauttones fast immer »ungefährlich« ist und auch stärkere Werte verträgt.
Ich finde, man darf dabei auch ruhig deutlich erkennen, dass an den Farben etwas »herumgeschraubt« wurde. Achten Sie dabei aber darauf, dass die Sättigung nicht zu hoch wird - also dran denken, den Dynamik-Regler entsprechend zurück zu nehmen, wenn Sie die Sättigung der Teiltoning erhöhen wollen.
Es ist übrigens auch ziemlich unabhängig vom Motiv meistens die bessere Wahl, wenn Sie die Teiltonung nur für die Tiefen vornehmen. Es gibt zwar angeblich keine Regel ohne Ausnahme, aber tatsächlich wird es einfach als natürlicher empfunden, wenn die hellen Bildteile im Vergleich die weitgehend »normalen« sind. Probieren Sie's einfach mal aus, dann werden Sie es selber sehen.
Tatsächlich lohnt es sich etwas mehr als nur einen kurzen Gedanken daran zu verschwenden, welche Farbstimmung man gerne haben möchte. Schauen Sie sich z.B. das Porträt vor der intensiv grünen Wand an. Als ich fotografiert habe, fand ich das ganz gut, weil ich insgesamt eine recht knallige Vorstellung von dem Bild hatte. Im Nachhinein, bei der Ausarbeitung am Bildschirm, hat mir das aber dann doch nicht gefallen.

Ist das schrille Grün wirklich so eine gute Wahl? Im Nachhinein gefällt es mir nicht mehr. Bewegen Sie die Maus über das Bild und Sie sehen die Ausarbeitung, für die ich mich schließlich entschieden habe.
Die Methode der Bearbeitung ist auch hier wieder eine Mischung aus Teiltonung in den Tiefen, reduzierter Dynamik und mäßig stark verschobenem Weißabgleich. Man muss einfach etwas an den Reglern rumfummeln, dann bekommt man bald ganz gutes Gefühl dafür.

Ich kann schon nachvollziehen, dass diese Art der Ausarbeitung dazu verleitet, oft »mehr Gas als nötig« zu geben, weil man den am Anfang meistens noch mühsam erzielten Effekt ausschöpfen möchte. Mein Rat ist aber: Seien Sie zurückhaltend. Es ist völlig unnötig, dass man den Bildern die Bearbeitung immer ansehen muss.
Ich gehe wie folgt vor: Man darf meinen Bildern durchaus ansehen, dass eine Bearbeitung stattgefunden hat, aber man muss nicht sofort drauf gestoßen werden, denn das Bild als Ganzes soll wirken. Die Bearbeitung soll sich nicht in den Vordergrund drängen.
Nur die wenigsten meiner Bilder sind Zufallsprodukte oder Schnappschüsse. Meine Modelfotografie ist inszeniert, und sogar bei den Landschaften ist fast immer eine Idee vorhanden, bevor ich losziehe. Deswegen verstehe ich meine Fotografie nicht als etwas Dokumentarisches. »Echtheit« spielt für mich keine Rolle. Ich möchte gar nicht den Eindruck vermitteln: "Schaut alle her, ganz genau so ist es gewesen!"
Nicht nur Porträt und Akt
Ich möchte auch wenigstens ein Beispiel noch für eine andere Motivart bringen, damit Sie sehen, dass die Teiltonung immer eine Überlegung wert ist bei der Ausarbeitung. Auch das Bild aus dem Nebelwald verwendet für die Teiltonung wieder eine Einstellung ähnlich denen, die wir schon kennen: Der Abgleich steht auf +50 und bei den Tiefen der Farbton auf 35 und die Sättigung auf 50, dazu die Dynamik (Grundeinstellungen) nach Gefühl reduziert (ich habe mich für -33 entschieden). Das allein bringt aber noch nicht den Effekt, wie er auf dem Bild zu sehen ist. Der entsteht erst durch einen sehr kalten Weißabgleich: Die Automatik lieferte als Farbtemperatur 6000 und als Farbton +11. Ich habe aber die Kombination 3900 und -1 gewählt (also kälter und ein ganz leichter Grünstich).
Muss es der RAW-Konverter sein?
Nein natürlich ist das nicht zwingend. Auch Teiltonungen kann man selbstverständlich nachträglich noch in einem Bildbearbeitungsprogramm machen. Ich meine aber, dass es schon Sinn macht alles das noch mit den Rohdaten zu erledigen, wo es ohne große Mühe geht. Man hat dabei den Vorteil, dass so weit verlustfrei wie nur irgend möglich gearbeitet wird, und die Gelegenheit, das als Vorgabe abzuspreichern und jederzeit ganz einfach auf eine komplette Bildserie anzuwenden, finde ich einfach wunderbar.
Je nach fotografischem Schwerpunkt gibt es natürlich nicht nur »die eine« optimale Einstellung, sondern ganz viele. Probieren Sie es selber aus, was für Ihre Art von Fotografie die nützlichen Einstellungen sind und welche Art von Bildwirkung am besten zu Ihrem fotografischen Stil passt. Ich bin sicher, dass die Anwendung der Teiltonung auch für Sie eine gestalterische Bereicherung sein kann.